Lokaler Routenführer Bayerischer Untermain

Von Alzenau bis Aschaffenburg (rechts des Mains), von Aschaffenburg bis Kleinostheim (links des Mains), Industriekultur im Landkreis Miltenberg

Den Schatz an lebendigen Zeugnissen des produzierenden Gewerbes samt dazugehöriger Infrastruktur zu bergen, wieder ins Bewusstsein zu bringen und zugänglich zu machen, ist Ziel der Route der Industriekultur Rhein-Main. Sie führt zu wichtigen industriekulturellen Orten im gesamten Rhein-Main-Gebiet und befasst sich mit Themen wirtschaftlicher, sozialer, technischer, architektonischer und städtebaulicher Entwicklung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Industriegeschichte am Bayerischen Untermain

Ein entscheidender Impuls für die industrielle Entwicklung von Aschaffenburg und seinem Umland ergab sich aus dem Anschluss an das Eisenbahnnetz und dem Ausbau des Mains als Wasserstraße. In den letzten Jahrzehnten fielen insbesondere Arbeitsplätze in der Bekleidungsindustrie und in anderen industriellen Bereichen dem Strukturwandel zum Opfer. Nach wie vor verfügt der Bayerische Untermain aber über eine gute Arbeitsplatzausstattung und ist die am stärksten industriell geprägte Region im Rhein-Main-Gebiet. 46% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind in Industrie und produzierendem Handwerk beschäftigt. Die wichtigsten Wirtschaftsbereiche sind „Automation“ mit dem Maschinenbau, der Feinmechanik und der Elektrotechnik und „Automotive“ mit einem deutlichen Schwer-punkt in der Fahrzeugsicherheit. Zusätzlich spielt die Region als Logistikdrehscheibe zahlreicher namhafter nationaler und internationaler Unternehmen eine wichtige Rolle. Mit den lokalen Routenführern links und rechts des Mains werden die baulichen Dokumente der regionalen Industrie-geschichte einer breiten Öffentlichkeit dargestellt.

Von Alzenau bis Aschaffenburg (rechts des Mains)

Kahl

Singulus Technologies AG

Mehrgliedriger Industriekomplex von hoher Transparenz mit rundum verspiegelten Glasfassaden und streng symmetrisch hintereinander gestaffelten Baugruppen in zeittypischer Formensprache der späten 1990er Jahre. Die räumlich wie ästhetisch ansprechenden Verwaltungs- und Produktionstrakte werden im Eingangsbereich von einer asymmetrisch flankierenden, die Geometrie der Kuben relativierenden Rotunde dominiert. Die Ästhetik dieses Industriebaus entspricht der offensiven Innovationspolitik und damit dem Selbstverständnis des Weltmarktführers für Replikationsanlagen von optischen Datenspeichern, dessen Produktionslinien für die CD- und DVD-Herstellung High-Tech-Niveau besitzen.

Wasserturm am Rathaus

Unweit des Kahler Rathauses über kreisrundem Grundriss erhebt sich der schmucklos-nüchterne Wasserturm von 27m Höhe unter flachem Kegeldach. Das 1931 von einem Frankfurter Unternehmen im Eisenbeton-Gleitbauverfahren in nur zehntägiger Bauzeit errichtete Bauwerk hatte einen Zweikammer-Behälter mit einem Fassungsvermögen von 200 cbm. Permanent steigender Wasserverbrauch durch Zunahme der Bevölkerung und wachsende Industrialisierung führten 1966 zur Stilllegung des Wasserturms. Er ist eines der Wahrzeichen Kahls.

Karlstein

Innovations-Park-Karlstein (IPK) GmbH

Parkähnliches Gelände der 1960 in Betrieb genommenen ehemaligen AEG Kernenergie-Versuchsanlage. Die zur experimentellen Untersuchung der Reaktortechnik und Weiterentwicklung von Leichtwasserreaktoren betriebenen Versuchslaboratorien bildeten zeitweise mit dem Versuchsatomkraftwerk Kahl (VAK), dem Heißdampfreaktor (HDR) und der KRT Kernreaktorteile GmbH das größte privatwirtschaftliche Zentrum für Kerntechnik in Europa. Mit Gründung der Innovations-Park-Karlstein GmbH entstand 1998 eine zukunftsorientierte Logistik-Immobilie. Der Hightech-Standort bietet heute auf 170.000 qm 16 Mietern (ca. 950 Arbeitsplätze) Wachstumspotential. Der Schwerpunkt liegt auf Dienstleistung, Service und Logistik in der Telekomunkikations- und IT-Branche. Das Konferenzzentrum mit Casinobetrieb steht allen Mitarbeitern und Besuchern zur Verfügung.

Dampfkraftwerk der RWE Power AG

Ab 1904 wurde durch die „Gewerkschaft Gustav“ mit dem Abbau von Braunkohle begonnen. Ein Teil der Seen in Großwelzheim, Kahl und Großkrotzenburg zeugen bis heute von den ehemaligen Tagebauen. Ab 1908 wurde Strom für den Eigenbedarf erzeugt. Ab 1909 wurde die Fernleitung erbaut und die Papierfabrik in Aschaffenburg (heute SCA), ab 1913 auch die Stadt Aschaffenburg mit Strom versorgt. Nach Ausbeutung der Braunkohle erfolgte 1932 die Stilllegung der Anlage. 1938 wurde das Braunkohlewerk von RWE zunächst in ein Steinkohlekraftwerk mit Kohleentladungsanlage am Main, um 1963 in ein 10 MW-Ölversuchskraftwerk mit 150 m hohem Schlot umgebaut. Das Kraftwerk wurde 2000 stillgelegt. Abbruch und Umnutzung des Geländes sind geplant.

Versuchsatomkraftwerk Kahl

An das RWE-Steinkohlekraftwerk grenzt das 1961 in Betrieb genommene erste Strom erzeugende Atomkraftwerk der Bundesrepublik an. Nach Erhalt der Stilllegungsgenehmigung wird das VAK seit 1988 zurückgebaut. Das Reaktorgebäude wurde 2005/2006 abgerissen.

Großwelzheim

Sand- und Kieswerk Kaspar Weiss GmbH & CO. Kg Karlstein

Im Umfeld der einstigen Urstromlandschaft des Mains mit seinen Ausläufern aus prähistorischer Zeit befanden sich zahlreiche Kiesgruben, von denen einige bereits renaturiert, andere noch tätig sind. Eine noch tätige Kiesgrube ist das Sand- und Kieswerk Weiss, das seit etwa 1959 hochwertige Quarzsande und Kiese abbaut und vor Ort aufbereitet. Der nördlich des Kieswerks gelegene Badesee entstand nach Aufgabe einer bis etwa 1969 ausgebeuteten Kiesgrube des Unternehmens und wurde nach 1973 zu einem Freizeitgebiet ausgebaut. Das südlich der Aufbereitungsanlage verlaufende Gleis wurde 1907 für die Werksbahn des Tagebaus der „Gewerkschaft Gustav“ verlegt und bis zur Stilllegung des Kraftwerks (2000) von der RWE als Werksgleis genutzt.

Kleinostheim

Heraeus-Werksgelände

Der Hanauer Edelmetall- und Technologiekonzern Heraeus ist in Kleinostheim seit 1984 mit einem Produktions- und Vertriebsstandort vertreten. Das 1851 gegründete Traditionsunternehmen ist heute mit über 700 Mitarbeitern einer der wichtigen Arbeitgeber der Region. In Kleinostheim befinden sich betriebliche Einrichtungen für drei Konzernbereiche: der Quarzglasspezialist Heraeus Quarzglas, der Speziallichtquellen Hersteller Heraeus Noblelight und der Sensorenhersteller Heraeus Sensor Technology. Heraeus ist weltweit tätig und Markt- und Technologieführer in den Bereichen Edelmetalle, Dentalwerkstoffe, Sensoren, Quarzglas und Speziallichtquellen. Durch kundennahe Produktentwicklungen und gezielte Akquisitionen baut das Familienunternehmen seine führende Position in verschiedenen Industriebereichen aus.

Vollbiologische Grosskläranlage Kleinostheim

Die Großkläranlage Kleinostheim wurde 1973-1976 als Abwassersammler für die Gemeinden Stockstadt, Mainaschaff, Kleinostheim sowie Karlstein, OT Dettingen und Stadt Alzenau, OT Hörstein konzipiert. Die Verbandsund Sammelkläranlage mit vollbiologischer und mechanischer Abwasserreinigung repräsentierte seinerzeit den neuesten Stand der Klärtechnik nach den strengen Auflagen des Gewässerschutzes. Das in Form und Materialverwendung zeittypische Bauwerk mit zentralem Treppenturm und flankierenden Faultürmen von 21 m Höhe war damals für die Verbesserung der Wasserqualität am Untermain von regionaler Bedeutung. Die Abwasserreinigungsanlage wurde 1995 modernisiert und umgebaut.

Bahnhofsgebäude der ehemaligen „Ludwigs-Westbahn“

Das in roten Sandsteinquadern 1851 errichtete spätklassizistische Gebäude wurde drei Jahre vor der offiziellen Eröffnung der Bahnlinie Aschaffenburg-Hanau („Maintalbahn“) fertig gestellt. Das 1979 renovierte Gebäude befindet sich in relativ unbeschadetem Originalzustand, lediglich die Betriebsräume inklusive Warteraum wurden neu gestaltet. Verkehrstechnisch wie bauhistorisch interessantes Gebäude der 1853/54 errichteten Strecke Frankfurt-Aschaffenburg mit gattungstypologischen Anklängen an die Kleinbahnhofs-Architektur jener Jahre.

Aschaffenburg

Detailierte Information zu den Orten der Industriekultur in Aschaffenburg finden Sie unter:

Lokaler Routenführer Aschaffenburg

Alzenau

Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS

Ressourcenknappheit ist ein zentrales Thema für die globale wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung geworden. Eine Steigerung der Ressourceneffizienz, Wiederverwertung von Rohstoffen nach der Nutzung und Substitution seltener bzw. kritischer Stoffe sind Voraussetzungen für die Rohstoffwende. Die Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS des Fraunhofer ISC mit Standorten in Alzenau und Hanau widmet sich dieser Zukunftsaufgabe durch die Erforschung und Ent-wicklung neuer Recyclingtechnologien sowie von Substituten für knappe Roh- und Werkstoffe. Zusammen mit Industriepartnern werden innovative Trenn-, Sortier-, Aufbereitungs- und Substitutionsmöglichkeiten erforscht und Strategien zum nachhaltigen Umgang mit kostbaren Ressourcen entwickelt.

Villa Meßmer

Die burgartige Villa des Teehändlers Otto Meßmer, der in Frankfurt das gleichnamige Teehandelsunternehmen führte, entstand zwischen 1900 und 1903 durch Umbau eines bestehenden Gebäudes auf einem großzügigen Grundstück mit alten Baumbestand auf einer Anhöhe gegenüber des Alzenauer Bahnhofs nach Plänen des Architekten Claus Mehs. Dieser war auch beim Umbau und teilweisem Neubau des Frankfurter Römers mit der Bauleitung betraut. Als Architekturhistoriker befasste er sich mit der Aufnahme und Rekonstruktion historischer Bauten. Beherrscht wird die Villa Meßmer von dem weithin sichtbaren Aussichtsturm, der dem Sinwellturm der Nürnberger Burg nachempfunden ist. Dieser Rückgriff auf ältere Stilrichtungen ist ein Merkmal des Historismus, dem die Villa Meßmer stilgeschichtlich zuzuordnen ist. Weitere Zitate historischer Vorlagen finden sich in vielen Details und auch im Saal der Villa, der dem Sängersaal der Wartburg nachempfunden wurde. Der Historismus erfuhr in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts größere Verbreitung. Eine seiner ursprünglichen Funktionen war es, die Repräsentationsbedürfnisse des in der Gründerzeit reich gewordenen Bürgertums zu befriedigen. Deshalb wird er umgangssprachlich auch als Gründerzeitstil bezeichnet. Die Bedeutung der Villa Meßmer liegt in ihrer Rückbindung an mittelalterliche und frühneuzeitliche Formen des Burgen- und Schlösserbaus in Deutschland. Das Gebäude aus Bruchstein und Fachwerk vermittelt den Eindruck, aus mehrmaligen Umbauten einer spätmittelalterlichen Höhenburg hervorgegangen. Sie ist ein individuelles Dokument der Empfindsamkeit des Bauherrn. Die Parkanlagen gestaltete Phillip Siesmayer, der Schöpfer des Frankfurter Grüneburgparks, als englischen Garten mit exotischen Baum- und Buschgruppen sowie kurvigen Wegen und weitläufigen von Büschen und Bäumen umsäumten Wiesen. Nach dem Verkauf durch die Familie Meßmer ging die Villa in den Besitz der katholischen Kirche über, die sie lange als Pfarrhaus nutzte. Heute beherbergt sie ein Restaurant. Im Herbst 2014 wurde der Meßmer-Park nach längerer Umbauphase eingeweiht. Vorbild bei der Gestaltung war die ursprüngliche Anlage rund um die Villa Meßmer, die 1903 von dem Frankfurter Landschaftsarchitekten Philipp Siesmayer entworfen wurde. Er war der Sohn des berühmten Heinrich Siesmayer, der unter anderem den Frankfurter Palmgarten schuf.
Im Mittelpunkt des Meßmer-Parks steht jetzt ein neuer Brunnen mit einer Wasserfontäne und gemütlichen Sitzgelegenheiten außen herum. Von hier aus verläuft ein halbrunder Stufenweg, der von zwei Seiten zur Villa Meßmer und ihrem Turm führt. Der neue Meßmer-Park ist von der Brentanostraße aus barrierefrei zugänglich. Einen weiteren Eingang zum Park gibt es am Holunderweg.

Von Aschaffenburg bis Kleinostheim (links des Mains)

Stockstadt

Zellstoff und Papierfabrik Sappi Stockstadt GmbH

Es war das Jahr 1898 als die damalige „Actien-Gesellschaft für Maschinenpapier-Fabrikation Aschaffenburg“, kurz Aschzell (AZ), die Produktion in Stockstadt aufnahm. Der Produktionsstandort Stockstadt war damals wie heute ideal geeignet: inmitten der buchenholzreichen Regionen Spessart, Odenwald und Taunus und gelegen am Main, der das benötigte Prozesswasser in ausreichender Menge bietet. Im Jahr 1900 galt dasWerk mit der damals erzielten Jahresproduktion von 10.569 t Zellstoff als eine der größten Zellstoffanlagen Europas. Heute entspricht diese Menge weniger als einer Stockstädter Monatsproduktion. Über viele Stationen ist aus der AZ die Sappi Stockstadt GmbH geworden. Eine integrierte Zellstoff und Papierfabrik miteigenem Kraftwerk und eigener Abwasserbehandlungsanlage. Im Zeitalter der Elektronik und dank kontinuierlicher technischer wie technologischer Erweiterungen hat sich das Werk stark gewandelt. Sappi stellt mit mehr 700 Mitarbeitern bis zu 160.000 t Zellstoff und 440.000 t Papier pro Jahr her.

Industriekultur im Landkreis Miltenberg

Miltenberg

Alter Bahnhof

Das repräsentative Empfangsgebäude mit strengsymmetrischer Fassaden-gliederung wurde etwa zeitgleich mit dem Bau der Bahnlinie Aschaffenburg-Miltenberg (Maintalbahn) um1876 in peripherer Lage errichtet. Mit wohlproportionierten, spätklassizistischen Kuben präsentiert sich der Bau weitestgehend in seinem ursprünglichen Bauzustand -von den Verblendquadern in rotem Mainsandstein bis hin zur Glasüberdachung mit filigran ornamentierten Guss-eisenstützen. Seit der Stilllegung für den Reiseverkehr1977 dient der alte Bahnhof als Geschäfts- und Wohngebäude mit Gastronomie. Als „Reklame für die Miltenberger Steinindustrie“ präsentiert sich auch das etwa 250 m stadtwärts gelegene, aufwändig gestaltete Güterbahnhofs-gebäude.

Eisenbahnbrücke über den Main

Die Fachwerkbalkenbrücke mit Halbparabelträger über der Hauptöffnung und beidseitig flankierenden parallel gurtigen Fachwerkträgern wurde 1904/1905 für die neuerbaute Lokalbahnstrecke Miltenberg-Stadtprozelten errichtet. Das markante Brückenbauwerk erfuhr im Laufe der Jahrzehnte mehrere Veränderungen: Anfang der 30er Jahre erforderte der Aufstau der Staustufe Heubach eine Anhebung der Brücke, um die nötige Durchfahrtshöhe für Mainschiffe zu gewährleisten. 1945 wurden die beiden bogentragen-den Pfeiler gesprengt, die Pfeiler des Brückenbogens wurden neu gegründet und in Beton ausgeführt.

Ehemaliges städtisches Elektrizitätswerk

Der an der Uferpromenade gelegene pittoreske Sandsteinbau wurde zwischen1903 und 1904 nach den Plänen von Stadtbaumeister Ludwig Frosch errichtet. Dominierend ist der stadt-wie flussseitig ausgerichtete, die Ecksituation betonende Rundturmaufsatz mit burgartigen Zinnen im Stile des Historismus. Ebenso bemerkenswert wie zukunftsweisend war 1910 die Versorgung des städtischen Winterbades im Progymnasium mit Warmwasser, dessen Energie – fast als Vorwegnahme des Prinzips heutiger Wärmepumpen –aus der Abwärme der Sauggasmotoren des E-Werks stammte.

Samen-Klenganstalt G.J. Steingasser & Comp.

Seit der Gründung im Jahre1815 organisch gewachsene Anlage mit Gebäudegruppenverschiedener Bauphasen an der Fabrik- und Burg-straße. Markant und weithin sichtbar ist der sich über der Boden- und Horden-Darre mit Lärchenzapfen-Mahl-werk erhebende quadratische Schornstein mit ausladender Krempe. Der aufgrund der ständigen Feuergefahr ganz aus Stein und Eisen errichtete Fabrikbau, in dem das für die Forstwirtschaft notwendige Saatgut durch „Ausklengen“ von Nadelholzsamen gewonnen wird, entstand wohl kurz nach dem Tod von G. Steingaesser (1876).

Ehemalige Villa Winterhelt / Heute Rheinhessisches Schullandheim

Ursprünglich als Geschäftshaus mit Wohnungen in Formen des ausklingenden Historismus für den Unternehmer, Schiffseigner und Kommerzienrat Caspar Winterhelt nach Entwurf von Oskar Winterhelt um 1903 errichtet. Das von schlankem, hohem Turm unter Krüppelwalmdach dominierte Anwesen mit hoch aufragender Dachlandschaft und gedrungenem, hexagonalem Treppenturm an zinnenbewehrter Giebelpartie bringt in Materialwahl und Formensprache Repräsentation und Eigenwerbung einer in der Sandsteinindustrie tätigen Unternehmerpersönlichkeit zum Ausdruck. Der stark gegliederte Baukomplex aus rotem Mainsandstein ist ein Zeugnis der zwischen 1870 und 1910 florierenden Miltenberger Sandsteinindustrie, zu der auch die 1872 gegründeten Steinbruchbetriebe C. Winterhelt gehörten. Seit 1967 als Schullandheim umgenutzt.

Ehemalige Villa Jacob / Heute Wohnheim der Lebenshilfe Landkreis Miltenberg e. V.

Repräsentative, großvolumige Villa im englischen Landhausstil in prominenter Hanglage am Grauberg. Die pittoreske Anlage mit burgenhaften Zügen und einer mächtigen Dachhaube wurde für Gustav Jacob – dem Eigentümer der Nadelholzsamen- Klenganstalt – im typischen roten Buntsandstein erbaut. Das ursprünglich als Einfamilienvilla großen Zuschnitts konzipierte Gebäude wurde mehrfach umgenutzt – zuletzt 1985 zu einem Behindertenheim. Ebenso ungewöhnlich wie das Anwesen präsentiert sich der fünf Jahre zuvor an der Graubergstraße in ägyptisierenden Formen errichtete „Hochbehälter Jacob“ zur privaten Versorgung der stattlichen Unternehmervilla. Das Gebäude befindet sich in einem öffentlichen Park und kann nur von außen besichtigt werden.

Hochbehälter Grauberg

Die Einweihung des Hochreservoirs am Fuße des Graubergs im Oktober 1897 markierte den Abschluss der Bauarbeiten zur Verlegung der Miltenberger Wasserleitung. Das in Formen des Historismus erbaute Gebäude mit Bruchsteinmauerwerkhatte ein Fassungsvermögen von 350 Kubikmetern Wasser. Der Beginn der Arbeiten zu den Quellfassungen wurde im November 1896 aufgenommen und einen Monat später abgeschlossen. Unter Einsatz einer erheblichen Zahl von Arbeitskräften konnten 9.200 m Rohrnetz in kürzester Bauzeit verlegt und 502 Hausanschlüsse geschaffen werden.

Werksteinbruch Wassum

Der geologische Aufbau des Landkreises Miltenberg mitseinem charakteristischen roten Buntsandstein bot seitjeher die Grundlage für die Entwicklung einer florieren-den Steinindustrie. Heute steht nur noch der Steinbruch Wassum am nördlichen Ortsrand von Miltenberg in Abbau. Im Jahre 1901 erwarb Firmengründer F. Wassum zunächst ein Grundstück, um Auffüllmaterial für seinen Straßenbetrieb zu gewinnen. Die qualitative Hochwertigkeit des gefundenen Kernsteins bewog den Unternehmer 1904, seinen Betrieb umzustellen und die Werksteingewinnung aufzunehmen. Der Abbau-betrieb fördert heute 12.500 Tonnen Rohblöcke pro Jahr.

Großheubach/Kleinheubach

Staustufe Heubach mit Scheluse und Kraftwerk

Die im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Gesamt-anlage besteht aus einer 300 m langen und 12 m breiten Kammerschleuse mit Vorhäfen, einer separaten Bootsschleuse, einem Walzenwehr mit drei Wehröffnungen und einem Kraftwerk. In Stil und Ausführung gleicht die Staustufe den etwas früher entstandenen Bauwerken in Klingenberg und Kleinwallstadt – von den schmucklosen Kuben mit beidseitiger Befensterung vor den Hebewerken der Wehr-walzen bis hin zum funktional gestalteten Baukörper des mit zwei Kaplan-Turbinen bestückten Kraftwerks.

Klingenberg

Staustufe Klingenberg mit Schleuse und Kraftwerk

Südlich der Klingenberger Mainbrücke entstand im Jahre 1927 nach den Staustufen Obernau und Kleinwallstadt die Staustufe Klingenberg als drittes Bauwerk seiner Art am Untermain. Als typisierter Bau besteht auch sie aus einer 300 m langen und 12 m breiten Kammerschleuse, einer separaten Bootsschleuse, einem Walzenwehr und einem Kraftwerk in der funktionalen Formensprache des Bauhauses. Die Fertigstellung dieser und anderer Staustufen am Untermain war ein weiterer Baustein der seit 1926 von Aschaffenburg mainaufwärts systematisch betriebenen Mainkanalisierung und Stromregulierung und damit eine erste Etappe zu dem lange geplanten Ausbau der Großschifffahrtsstraße Rhein-Main-Donau.

Ehemaliges städtisches Elektrizitätswerk

Der in gelbem und rotem Klinker ausgeführte Industriebau mit basilikalem Querschnitt wurde zwischen1898 und 1899 errichtet. Der durch vertikale Lisenen und paarige Rundbogenfensterrhythmisierte Mitteltrakt mit Satteldach wird beiderseits von zwei spiegelsymmetrischen Anbauten unter Pultdachflankiert. Die Errichtung des stadteigenen Elektrizitätswerk-werks hatte erheblichen Einfluss auf die Infrastruktur Klingenbergs. An der Erbauung waren etliche namhafte Unternehmen beteiligt, darunter die Firmen Schuckert & Co und Siemens & Halske aus Nürnberg (elektrische Anlage, Beleuchtung) sowie die Firma Linde in Wies-baden (Kühlanlage, Dampfmaschine). Das „Städtische Elektrizitätswerk“ Klingenberg am Main war damals eines der ersten E-Werke in der Region und in einer Zeit, in der die elektrische Energie noch in ihren Anfängen steckte, eine echte Sensation, die viele auswärtige Besucher in die prosperierende Mainstadt lockte.

Tonbergwerk der Stadt Klingenberg mit Verladenanlage unterhalb des Stollens

Das Klingenberger Tonvorkommen stammt aus der letzten Phase des Tertiärs. Seit 1742 wird an diesem Standort qualitativ hochwertiger Ton im Tagebau, seit 1786 im lukrativen Tiefbau über einen Hauptstollen abgebaut. Seit 1855 ist die Tongrube im Besitz der Stadt Klingenberg am Main. Mit Rückgang des Absatzes begann ab 1960 eine umfassende Rationalisierung des Betriebes und stetige Reduzierung der Belegschaft– bis zum heutigen Stand von neun Mann, davon sechs unter Tage. Der Klingenberger Ton, der u. a. in der Bleistiftindustrie als Beimischung zu Graphit verwendet wird und lange Zeit eine Monopolstellung in der Hochofenindustrie Europas und der USA einnahm, sicherte den Bürgern der Stadt jahrzehntelangen Wohlstand – in der Blütezeit sogar durch die jährliche Auszahlung eines„ Bürgergeldes“.

Ehemalige Albertwerke

Das Unternehmen wurde 1899 als „Thonindustrie Aktien Gesellschaft Klingenberg“ von Kommerzienrat Heinrich Albert, dem Mitbegründer der Chemischen Werke Albert, Wiesbaden, gegründet. Von der ursprünglichen Bausubstanz und technischen Ausstattung des einst auf die Herstellung von Steinzeug, Bodenfliesen und Mosaiken spezialisierten Werkes sind Gebäudeaus den verschiedensten Bauphasen erhalten (Portierhaus mit Kantine (Baujahr 1900 und unter Denkmalschutzstehend), Generatoren- und Kesselhaus, Pumpenhausund Pressensaal, Rollenöfen, Trocken- und Lagerräume), der mainseitige Verwaltungsbau von 1955 und rückwärtig die ehem. „Fabrik II“. Standortprägend sind bis heute zwei mächtige Schornsteine (1905, 1911) sowie die Direktorenvilla (ca. 1902) und das ehem. Arbeiterinnenwohnheim (ca. 1906) auf der gegenüberliegenden Straßenseite, aber auch die ehem. Albertwerke-Siedlung („Arbeiter-Colonie“ um 1908). Entscheidende Standortfaktoren für die Ansiedlung des Unternehmens waren damals die vorhandene Infrastruktur (Mainschifffahrt und Eisenbahnnetz) sowie die ertragreichen Tonvorkommen. Der Fortbestand des heutigen Unternehmens „Klingenberger Dekoramik“ wurde durch nachhaltige Investitionen unter Wahrung der Tradition und durch umsichtige Geschäftsführung nach Übernahme durch einen namhaften Großkonzern gesichert.

Wörth

Schifffahrts- und Schiffsbau–Museum (Ehem. St. Wolfgangs-Kirche)

In der Altstadt von Wörth gelegener Gebäudekomplex aus Barockkirche und flankierendem Putzbau mit Verbindungstrakt in rotem Mainsandstein. Mit der Einrichtung des Museums wurde der bereits im Jahre 1903 profanierte Barockbauwieder sinnvoll genutzt – für die denkmalgerechte Sanierung wurde die Stadt mit dem Landespreis des Bundes Deutscher Architekten 1991 ausgezeichnet. Für das Museum wurden in dem hallenartigen Kirchenraum Stege installiert, die die Emporen mit einbeziehen und gleichzeitig als Träger für die Vitrinen und Exponate dienen. Die Nähe zum Main mit Schiffsanlegestelle und Blick auf das gegenüberliegende Werftgelände stellt einen direkten Bezug zum Museum her. Die überregionalbedeutsame Ausstellung dokumentiert auf drei Ebenen die Entwicklung der Schifffahrt und des Schiffbaus am Untermain. In Wörth wurden schon 1652 auf verschiedenen Plätzen Holzschiffe gebaut – eine Tradition, die erst im Jahre 1918 mit dem Umzug der letzten Werft nach Erlenbach und der Etablierung des Eisen- und Stahlschiffbaus ein Ende fand.

Erlenbach

Ehemalige bayerische Schiffbaugesellschaft GmbH

Ende des 19. Jahrhunderts geht die Ära des traditionellen Holzschiffbaus zu Ende: 1897 wird das erste eiserne Wasserfahrzeug auf der Schellenberger-Werft auf Kiel gelegt, dem bald Nachen, Pontons, Eimerkettenbagger, Kettenschleppschiffe und Schleppkähne aus dem neuen Werkstoff folgen. Schiff-vor Fertigstellung des Gesamtkomplexes begann die Produktion textiler Viskosefasern. Mitte der 30er Jahre wurde die Produktpalette um technische Viskosefasern als Verstärkungsmaterial für verschiedenste Reifenartenerweitert – bis sich Ende der 40er Jahre mit der Produktion der neu entwickelten Synthesefasern Perlon, Diolen und Nylon für textile und technische Anwendungen neue Horizonte abzeichneten. In rund 80 Jahren konnte sich das Werk zu einem der bedeutendsten Hersteller von technischen Fasern in Europa und dem zweit-größten Chemiebetrieb Bayerns wandeln.

Villa Mundt

Etwas unterhalb der Villa Schellenberger, für den ehemaligen Betriebsdirektorder Bayerischen Schiffsbau Gesellschaft Robert Mundt erbautes, villenartiges Wohnhaus von 1923. Das von Weinbergen und einem weitläufigen Park mit altem Baumbestand umgebene Anwesen wird seit 1999 nachumfassender Renovierung als Gästehaus für kulturelle Aktivitäten und Festivitäten genutzt.

Obernburg

Industrie Center Obernburg

Der weitläufige Werkskomplex wurde Anfang der 20erJahre als Strukturmaßnahme gegen die Arbeitslosigkeit gegründet. Heute beherbergt der Standort Produktionsstätten verschiedener Unternehmen der chemischen Industrie und ist ein wirtschaftliches Kernstück der Region Bayerischer Untermain. Die unterschiedlichen Gebäude im und um das Werk (ein- und mehrgeschossige Hallen, Kraftwerkstrakte, Verwaltungsgebäude, Pförtnerpavillons sowie der werkseigene Bahnhof) vermitteln durch ihre Klinkerfassaden einen geschlossenen Gesamteindruck. Zur Schaffung von Arbeitsplätzen beschloss die Staatsregierung den Bau eines Textilfaserwerks am Untermain, das zwischen 1922 und 1924 auf einem etwa 60 Hektar großen Gelände entstand. Noch vor Fertigstellung des Gesamtkomplexes begann die Produktion textiler Viskosefasern. Mitte der 30er Jahre wurde die Produktpalette um technische Viskosefasern als Verstärkungsmaterial für verschiedenste Reifenartenerweitert – bis sich Ende der 40er Jahre mit der Produktion der neu entwickelten Synthesefasern Perlon, Diolen und Nylon für textile und technische Anwendungen neue Horizonte abzeichneten. In rund 80 Jahren konnte sich das Werk zu einem der bedeutendsten Her-steller von technischen Fasern in Europa und dem zweit-größten Chemiebetrieb Bayerns wandeln.

Kleinwallstadt/Großwallstadt

Staustufe Wallstadt mit Schleuse und Kraftwerk

Die an der funktionalen Formensprache des Bauhauses ausgerichtete Gesamtanlage besteht aus einer 300 m langen und 12 m breiten Kammerschleuse mit stählernen Stemmtoren, einer angegliederten Bootsschleuse, einem Walzenwehr mit drei Öffnungen sowie einem Kraftwerk auf Kleinwallstädter Gemarkung. Die Staustufe Wallstadt entstand zeitgleich mit der knapp 10 km stromabwärts liegenden Staustufe Obernau.

Weilbach

Linde AG, Werk IV / Ehemaliger Weilbacher Eisenhammer

Der im Mud-Tal gelegene Werkskomplex wurde im Jahre 1822 von Johann Michael Reubold als „Eisenhammer“ gegründet und nach Übernahme durch die Firma Linde in mehreren Ausbaustufen zu einer Gießerei modernen Zuschnitts ausgebaut. Von der ursprünglichen Bausubstanz und technischen Ausstattung der einstigen Hammerschmiede und späteren Gießerei Weilbach sind noch eine großzügig dimensionierte Gießhalle, ein vom Überlandwerk Unterfranken errichtetes Trafohaus von 1921 sowie ein wohlproportioniertes Wohnhaus mit Werksteinfassade in Buntsandstein erhalten. Standortprägend ist das um 1830 nach den Plänen von Johann Michael Reubold erbaute Herrenhaus mit südwärts gerichteter, repräsentativer Schaufassade und Altan über großen gegossenen Säulen. Mit nordseitigem Eingang zum Werkshof und direktem räumlichen Bezug zur Produktionsstätte steht auch dieses Herrenhaus in der Tradition der typischen Fabrikantenvilla. Im Weilbacher Hammerwerk waren bis Ende des 19. Jahrhunderts bis zu neun oberschlächtige Wasserräder installiert, die von einem werksinternem Kanalsystem gespeist wurden und fünf Eisenhämmer („Reuboldsche Triebwerke“) antrieben. Die rasch fortschreitende Technik ließ die vorhandenen Betriebseinrichtungen schon damals schnell veralten – das letzte alte, noch benutzte Wasserrad musste schon im Jahre 1912 einer „modernen“ Voith Wasserturbine als Krafterzeuger weichen.

Interaktive Karte der KulturRegion

Adressangaben und weitere Information zu den Orten

Interaktive Karte zum lokalen Routenführer Bayerischer Untermain

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