Sophie von La Roche, Gedenkstein am ehemaligen Wohnhaus, Offenbach am Main

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Hier standen die Wohnhäuser der Schriftstellerin Sophie La Roche ("Die Grillhütte", Berliner Straße 111) und der Familie des Offenbacher Musikverlegers Johann André (1741-1799). Beide Häuser waren in ihrer Zeit wichtige gesellschaftliche Treffpunkte in der Region.

„Meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben“. Sophie von La Roche

Die Schriftstellerin Sophie von La Roche (1730–1807) war keine gebürtige Offenbacherin. Jedoch hat sie 20 Jahre in der Stadt gelebt und ist hier verstorben. Wer sich Sophie von La Roche nähern will, dem sei neben der Lektüre ihrer literarischen Werke, der Besuch des Offenbacher Stadtmuseums empfohlen. Das ehemalige Wohnhaus Sophie La Roches − die „Grillenhütte“ – wie sie ihr Zuhause nannte, befand sich in der ehemaligen Domstraße 23, der heutigen Berliner Straße. Es wurde 1960 abgerissen. Jedoch befindet sich dort heute ein Gedenkstein, der an die Zeit und das Wirken der Schriftstellerin erinnert.

Als Sophie von La Roche 1786 nach Offenbach zog, war das Haus das vorletzte Gebäude an der Nordseite der Domstraße und erst wenige Jahre alt. Als Vorbesitzer und wahrscheinlich auch Erbauer lässt sich ein Malermeister Günther ausmachen. Das Wohnhaus war schlicht, aber trotzdem als Alterssitz angemessen und entsprach dem damals üblichen spätbarocken Baustil. Nach La Roche wechselte es bis 1932 mehrmals den Besitzer und wurde zu einer Gewerbeimmobilie umfunktioniert. Lange geriet die ehemalige Bewohnerin in Vergessenheit.

Im Zuge der Vorbereitung des Goethe – Jahres 1932 besann man sich in Offenbach der „klassischen Epoche von vor und nach 1800“. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise, unter denen auch Offenbach litt, suchten die Stadtoberen nach positiven Identifikationsfiguren aus der Stadtgeschichte. Und so geriet auch die berühmte Schriftstellerin wieder in den Blick. Die Offenbacher Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenverbandes und die Kommune ehrten La Roche mit einer Gedenktafel in Stein an der „Grillenhütte“. Der Zustand des Hauses war schlecht, „grau und schäbig wirkend“, wie es in einem damaligen Bericht heißt. Die Gedenktafel wurde im Dezember 1931 im Rahmen einer kleinen Feier enthüllt. Der Künstler war Berthold Wolpe. Auf ihr stand geschrieben: „Sophie von La Roche, der geistvollen Schriftstellerin, der Freundin Wielands und Goethes, die in diesem Hause von 1786 wohnte bis 1807 wohnte, aus Anlass der 200. Wiederkehr ihres Geburtstages gewidmet von Offenbachs Frauen. Am 06. Dezember 1931“. (1931 ging man von einem falschen Geburtsdatum La Roches aus).

Selbst im Nationalsozialismus bezeichnete die lokale Presse die Schriftstellerin als „schätzenswerte Vertreterin ihrer Zeit“. In den Bombennächten wurde die Domstraße 23 nur leicht beschädigt, ganz im Gegensatz zur Mehrheit der übrigen Häuser in der Straße. 1960 wurde von der Stadt Offenbach beschlossen, das ehemalige Wohnhaus zu Gunsten der innerstädtischen Verkehrsverhältnisse abzureißen. In einer damals veröffentlichten Publikation hieß es: „Die Durchbruchstraße und mit ihr die Sanierung der Altstadt wird die längst fällige Flurbereinigung des alten Stadtkerns mit sich bringen, den noch erhaltenen anachronistischen Restbestand des dörflichen Offenbach eliminieren und den Weg in die Zukunft öffnen“. In der heutigen Berliner Straße in Offenbach erinnert eine dreiseitige Gedenkstele an Sophie von La Roche und die benachbarte Familie des Offenbacher Musikverlegers Johann André (1741-1799). Dort heißt es unter anderem: „Im Hause Domstraße 23 wohnte seit 1786 die Schriftstellerin Sophie La Roche. Sie nannte es die Grillenhütte. Hier weilten oft ihre Enkelkinder Bettina und Clemens Brentano. Goethes Mutter suchte bei der Beschiessung Frankfurts 1796 hier Schutz. Sophie La Roche starb 1807 und wurde in Bürgel begraben“. Dieser recht bescheidene Gedenkstein erinnert daran, dass hier vor 250 Jahre eine der wichtigsten Schriftstellerinnen des deutschsprachigen Raumes und Vorreiterin der Frauenbildung gelebt hat.

Heute wird Sophie von La Roche als Person von historischer Bedeutung verehrt. Das zeigt zum Beispiel ein nach ihr benannter Preis des Magistrates der Stadt. Mit dem Sophie von La Roche-Preis zeichnet Offenbach seit 2010 alle zwei Jahre Personen oder Organisationen für Verdienste um die Gleichberechtigung von Frauen aus. Die Schriftstellerin aus dem späten 18. Jahrhundert gilt also heute als Vorbild für Frauen.

Weiterführende Informationen

Werkverzeichnis

Sophie von La Roche, ca. 1750, Pastell, Künstler unbekannt, das Bild befindet sich im Wieland Museum, Biberach Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.:
Sophie von La Roche, ca. 1750, Pastell, Künstler unbekannt, das Bild befindet sich im Wieland Museum, Biberach Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.: "Meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben". Sophie von La Roche (1730-1807). Schriftstellerin der Empfindsamkeit. Offenbacher Studien. Schriftenreihe des Hauses der Stadtgeschichte, Offenbach 2007, S. 67.
Sophie von La Roche, 1764, Öl, Langenbeck, das Bild befindet sich im Wieland Museum, Biberach Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.:
Sophie von La Roche, 1764, Öl, Langenbeck, das Bild befindet sich im Wieland Museum, Biberach Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.: "Meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben". Sophie von La Roche (1730-1807). Schriftstellerin der Empfindsamkeit. Offenbacher Studien. Schriftenreihe des Hauses der Stadtgeschichte, Offenbach 2007, S. 75. Das Bild entstand am Hof des Grafen Stadion, bei dem Frank von La Roche in den 1760er Jahren tätig war.
Sophie von La Roche, ca. 1776, Öl, Georg Oswald May, das Bild befindet sich im Gleimhaus, Halberstadt Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.:
Sophie von La Roche, ca. 1776, Öl, Georg Oswald May, das Bild befindet sich im Gleimhaus, Halberstadt Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.: "Meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben". Sophie von La Roche (1730-1807). Schriftstellerin der Empfindsamkeit. Offenbacher Studien. Schriftenreihe des Hauses der Stadtgeschichte, Offenbach 2007, Deckblatt
Wohnhaus Domstraße 23, Offenbach, Zustand ca. 1800, Theodor Geh, das Bild befindet sich im Haus der Stadtgeschichte, Offenbach - Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.:
Wohnhaus Domstraße 23, Offenbach, Zustand ca. 1800, Theodor Geh, das Bild befindet sich im Haus der Stadtgeschichte, Offenbach - Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.: "Meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben". Sophie von La Roche (1730-1807). Schriftstellerin der Empfindsamkeit. Offenbacher Studien. Schriftenreihe des Hauses der Stadtgeschichte, Offenbach 2007, S. 140.
Wohnhaus Domstraße 23, Offenbach, 1938, Fotografie, das Bild befindet sich im Haus der Stadtgeschichte, Offenbach - Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.:
Wohnhaus Domstraße 23, Offenbach, 1938, Fotografie, das Bild befindet sich im Haus der Stadtgeschichte, Offenbach - Quelle: Eichenauer, Jürgen (Hg.) u.a.: "Meine Freiheit, nach meinem Charakter zu leben". Sophie von La Roche (1730-1807). Schriftstellerin der Empfindsamkeit. Offenbacher Studien. Schriftenreihe des Hauses der Stadtgeschichte, Offenbach 2007, S. 160.
Gedenkstein, Berliner Str. 111, Offenbach, Juni 2017. Gedenkstein als Symbol für das bereits 1960 von der Stadt Offenbach abgerissene Wohnhaus der Sophie von La Roche; erwähnt wird auch ihr Nachbar, Herr André, der außerdem im Büsingpark geehrt wird.
Gedenkstein, Berliner Str. 111, Offenbach, Juni 2017. Gedenkstein als Symbol für das bereits 1960 von der Stadt Offenbach abgerissene Wohnhaus der Sophie von La Roche; erwähnt wird auch ihr Nachbar, Herr André, der außerdem im Büsingpark geehrt wird.

Dieser Beitrag ist Teil des Studierendenprojektes „Orte der Meinungsfreiheit“ 2017-2019

Texte und Abbildungen: E.M.

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