Rundeturmstraße, Darmstadt
In der Rundeturmstraße 12 in Darmstadt befindet sich ein alter Mauerrest mit einer unscheinbaren Erinnerungstafel. Die meisten Passanten gehen achtlos daran vorbei. Kaum jemand weiß heute, wie wichtig dieser Ort für die Geschichte des Freiheitskampfes war. Denn hier stand einst ein Gefängnis, in dem viele politische Gefangene einsaßen. Die Überreste eines ehemaligen Gefängnisses sind nicht lediglich ein Symbol der Unfreiheit und der Unterdrückung. Zugleich sind sie ein Zeichen für die Stärke und den Willen der Menschen, die auf Grund ihrer Meinung, ihrer Herkunft oder ihres sozialen Status hier inhaftiert worden waren.
„Was ist die längste Straße Darmstadts? Die Rundeturmstraße! Mancher der dort hineinging, kam erst Jahre später wieder heraus“.
Witz, entstanden nach der Einrichtung des Gefängnisses
In der Rundeturmstraße 12 in Darmstadt befindet sich ein alter Mauerrest mit einer unscheinbaren Erinnerungstafel. Die meisten Passanten gehen achtlos daran vorbei. Kaum jemand weiß heute, wie wichtig dieser Ort für die Geschichte des Freiheitskampfes war. Denn hier stand einst ein Gefängnis, in dem viele politische Gefangene einsaßen. Die Überreste eines ehemaligen Gefängnisses sind nicht lediglich ein Symbol der Unfreiheit und der Unterdrückung. Zugleich sind sie ein Zeichen für die Stärke und den Willen der Menschen, die auf Grund ihrer Meinung, ihrer Herkunft oder ihres sozialen Status hier inhaftiert worden waren.
Das Gefängnis wurde im Jahr 1830 von dem Oberbaurat und Hofbaudirektor Georg Moller und von dem Architekten Franz Heger projektiert. Der in den Jahren 1832 bis 1834 ausgeführte Bau stand am Platz des ältesten Gefängnisses Darmstadts, der sogenannten „Betzenkammer“ und des ehemaligen Spinnhauses. Benennungen und Umbenennungen spiegeln die politische Geschichte Darmstadts und Hessens wider: Ursprünglich trug das neue Gefängnis den Namen „Großherzogliches Provinzial-Arresthaus“. Seit 1918/19 firmierte es unter „Hessisches Landgerichtsgefängnis“ und schließlich „Darmstädter Straf- und Untersuchungshaftanstalt“.
Nach der Machtergreifung 1933 durch die Nationalsozialisten diente das Gefängnis zur Inhaftierung der politischen Opposition. Unter den Insassen waren Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Ende 1939 bis 1945 diente die Haftanstalt als „Darmstädter Gestapo-Gefängnis“. Das Landgerichtsgefängnis wurde nach 1945 weiterhin genutzt und schließlich 1970 abgerissen. Nach seinem Abriss wurde das freie Gelände als Parkplatz für die Technische Hochschule Darmstadt genutzt, bevor auf ihm 1995 ein Forschungsinstitut eröffnete (Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung).
Einer der berühmtesten Gefangenen des Darmstädter Gefängnisses Rundeturmstraße war der Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig, der Teil der liberal-revolutionären Bewegungen des Vormärz war und zusammen mit dem Schriftsteller Georg Büchner die Flugschrift „Der Hessische Landbote“ verfasst hatte. Wegen Hochverrats wurde er seit 1834 inhaftiert und starb nach brutalen Misshandlungen am 23. Februar 1837 in seiner Arrestzelle. Weidig wurde auf dem Alten Friedhof in Darmstadt begraben. Die Stadtverwaltung genehmigte später ein Ehrengrab, das auf „ewige Zeiten“ erhalten bleiben soll. Am 17. September 1848 wurde das wiederhergestellte Grab Weidigs mit einer Gedenkfeier eingeweiht, an der 600 Personen teilnahmen.
In seiner langen Geschichte diente das Gefängnis in der Rundeturmstraße zur Inhaftierung weitere verfolgter Gruppen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier unter anderem Darmstädter Juden (mehr als 3.000 Personen), politische Regimegegner, Zwangsarbeiter (überwiegend aus Polen, 716 Personen) und Kriegsgefangene (437 sowjetische Soldaten und 147 Franzosen) inhaftiert.
Zur Erinnerung an die Opfer wurde von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt am 3. Februar 1995 eine Bronzetafel in den Maßen 66x45cm angebracht. Die Erinnerungstafel war Teil eines Projektes zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Hessen. Sie erinnert explizit an Weidig, an die Gegner des Nationalsozialismus sowie an die zur Deportation bestimmten jüdischen Häftlinge:
„Auf diesem Gelände befand sich das Gefängnis, in dem Friedrich Ludwig Weidig (1791-1837), der Mitstreiter Georg Büchners, in den Tod getrieben wurde. Während der NS-Zeit wurden Gegner des Regimes eingekerkert und mißhandelt. Seit 1938 wurden Juden inhaftiert und von hier in Konzentrationslager transportiert. Wir gedenken dieser Menschen und ihrer Qualen. Möge nie wieder Vergleichbares geschehen“.
Daria Vetrova
Bilder zu Rundeturmstraße, Darmstadt
Mauerrest in der Rundeturmstraße 12, 2017
Foto: Daria VetrovaBronzetafel zur Erinnerung an die Opfer des Gefängnisses, gestiftet von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt
Foto: Daria VetrovaKarte Darmstadt Google Maps und Landgerichtsgefängnis Rundeturmstraße, Aufnahme von 1960-1961
Quelle Karte: GoogleMaps 2017, Quelle Foto: Quelle: Hessisches Staatsarchiv DarmstadtStadtmauer, Zwingermauer und Runder Turm, um 1830
Quelle: Stadtlexikon DarmstadtDas 1832-1835 erbaute Arresthaus in Darmstadt, 1970
Quelle: Hessisches Staatsarchiv DarmstadtDie Untersuchungshaftanstalt 1950, li: Ansicht Verwaltungsbau und Südbau, re: Blick auf die Rückseite von Küche und Frauenbau von Norden
Quelle: Hessisches Staatsarchiv DarmstadtDie Untersuchungshaftanstalt 1950, li: Ansicht Schreinerei, re: Kücheninnenraum
Quelle: Hessisches Staatsarchiv DarmstadtPorträt von Dr. Friedrich Ludwig Weidig, Kreidelithographie 1848/49
Quelle: Hessisches Staatsarchiv Darmstadtli: Rektoratsgebäude der Butzbacher Bürgerschule, in der Weidig seit 1824 unterrichtete und zeitweise wohnte, 1910, re: Unterricht in einer Knabenschule - der Lehrer doziert als Autoritätsperson am erhöhten Pult, kolorierter Stich um 1830),
Quelle: Die Weidig-Dauerausstellung von „Butzbach lebt Demokratie!“li:Der Flur im alten Arresthaus, links die Tür von Weidigs Nachbarzelle, vor 1910, re: Illustration der Fenstersituation im Arresthaus, Rekonstruktion anhand des Zustandes vor dem Abriss 1970
Die Weidig-Dauerausstellung von „Butzbach lebt Demokratie!“Friedrich Weidigs Grabmal auf dem Friedhofe zu Darmstadt. Nach einer Skizze von H. W., auf Holz gezeichnet von W. Reich, undatiert
Quelle: Wikimedia Commons