Alter Ort, Neu-Isenburg

Das ursprüngliche Zentrum Neu-Isenburgs liegt am „Alten Ort“. An diesem Platz ließen sich im Jahr 1699 34 Familien aus Frankreich nieder. Es handelte sich um Hugenotten, Angehörige der Reformierten Konfession, die wegen ihres Glaubens aus der Heimat vertrieben worden waren. Die Ansiedlung ging auf den damaligen Landesherrn der Gegend zurück, Graf Johann Philipp von Ysenburg und Büdingen zu Offenbach. Er gewährte den Hugenotten freie Religionsausübung. Heute ist der Platz ein Erinnerungsort. Die Gründung Neu-Isenburgs wird durch Vereine und Veranstaltungen wachgehalten, etwa durch den Hugenotten- und Waldenserpfad e.V. oder den Verein für Geschichte, Heimatpflege und Kultur GHK. Ihr Ziel ist es, den Weg der Hugenotten auf der Suche nach einem Ort für die Ausübung ihrer Religion zu rekonstruieren.

Noch im 18. Jahrhundert betrachteten sich die Bewohner Neu-Isenburgs selbst als französische Kolonie und blieben in der französischen Sprache und Kultur verwurzelt. Eine Kultur, die während und nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 zurückgedrängt wurde. Der „Alte Ort" erlebte mehrere Umstrukturierungen. Wo noch heute der Markplatz ist, stand von 1702 bis 1876 das alte Rathaus, und damit das politische Zentrum der Hugenottenstadt. Dieses war von Graf Johann Philipp errichtet und den Einwohnern verkauft worden. Ab 1877 befand sich hier ein Siegesdenkmal für den Einigungskrieg von 1870/71 mit einer Statue der Germania – sichtbares Zeichen einer auch kulturellen Germanisierung der Einwohner, die sich nun gegen den sogenannten ‚Erbfeind‘ wendeten. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wiederum wich die Germania einer „Adolf Hitler-Eiche“: Neu-Isenburg bekannte sich auf diese Weise zum nationalsozialistischen Regime. Die Transformationen des "Alten Ortes“ spiegeln also beispielhaft die Entwicklung von Kultur und Identität in Neu-Isenburg wider.

In den letzten Jahren lässt sich eine deutliche Rückbesinnung auf die französisch-reformierten Wurzeln feststellen. Die Stadt bietet einen Rundgang an, der die Stadtgeschichte entlang historischer Plätze und Gebäude erzählt. Neben der Reformierten Kirche gehört dazu das alte Schulhaus im „Alten Ort“. Bei der Eröffnung des Hugenotten- und Waldenserpfades spiegelten sich die französischen Wurzeln und die hugenottische Vergangenheit in traditioneller Kostümierung und Inszenierung der Lebensweise des 17. Jahrhunderts wider.

In der Erinnerungsarbeit wird die Geschichte mit aktuellen Werten verknüpft. An einer Hauswand der Reformierten Gemeinde am „Alten Ort“ befindet sich ein Bibelvers, der zur Toleranz gegenüber Fremden aufruft (2. Mose, Kap. 23, Vers 9 „Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken…“). Der „Alte Ort“ und die Gründer der Stadt sind auch in der aktuellen Politik präsent. Nicht ohne Grund ist Bürgermeister Herbert Hunkel zugleich Vorsitzender des GHK und des Hugenotten- und Waldenserpfad e.V. Für ihn gehören Geschichte und Gegenwart zusammen. Über den „Alten Ort“ sagt er: „In diesem Ort kann man am besten die Geschichte der Gründung [der Stadt], die Toleranz erklären und damit auch verbinden. Deswegen ist der Alte Ort auch heute für Neu-Isenburg […] ein ganz zentraler Platz […]. Integration hat schon 1699 begonnen. Am Anfang waren die Franzosen hier, und dann kamen ja die Deutschen.“

Felipe Beuttenmüller Lopes Silva

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