Laubacher Persönlichkeiten: Schlossherr, Vermittlerin der Buchkunst und Kulturnetzwerker – Persönlichkeiten und Lieblingsorte in der KulturRegion

© Alexander Paul Englert

53 Mitglieder stark ist die KulturRegion FrankfurtRheinMain heute. Jede der am regionalen Kulturnetzwerk beteiligten Städte, Kreise oder Gesellschaft, bringt Kulturschätze und bedeutenden Orte in unsere Programme und Projekte ein. Verwoben mit diesen sind unzählige engagierte Persönlichkeiten, Akteur*innen aus Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die gemeinsam eine Geschichte erzählen und das besondere Profil der Rhein-Main-Region ausmachen. Ab April 2022 stellen wir jeden Monat Persönlichkeiten aus der KulturRegion vor, die ihre ganz besonderen Lieblingsorte vorstellen. Machen Sie sich mit uns auf die Reise durch Rhein-Main, lassen Sie sich inspirieren und einladen, diese Kulturschätze selbst zu erkunden.

Unsere erste Station führt uns nach Laubach, unser nördlichstes Mitglied, wo uns Kulturtouristiker Markus Stiehl gemeinsam mit Schlossherr Karl Georg Graf zu Solms-Laubach und Schlossbibliothekarin Trautel Wellenkötter im Schloss Laubach freundlich in Empfang nehmen. Das Schloss ist eine der wenigen jahrhundertealten Residenzen, die noch heute von der ursprünglichen gräflichen Familie bewohnt und bewirtschaftet wird. Einer Familie, die gleichsam in der heimischen Region tief verwurzelt als auch mit dem Adel in Europa verbunden ist. Ein ganz besonderes Juwel, das die drei uns vorstellen möchten, ist die Schlossbibliothek. Als Schulbibliothek im 16. Jahrhundert gegründet, beheimatet die Privatbibliothek des Grafen eine durch Generationen und über 450 Jahre hinweg zusammengetragene Sammlung, die in der Region einmalig ist. Mit ca. 130.000 Titeln ist sie eine der großen Privatsammlungen in Deutschland und im „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ eingetragen. Da lange Zeit nicht öffentlich zugänglich, ist die Bibliothek sogar in und um Laubach ein Geheimtipp. Sie kann von April bis Oktober immer mittwochs um 17 Uhr sowie nach Voranmeldung in kleinen Gruppen besucht werden. Im Anschluss lohnt ein Abstecher in den Laubacher Schlosspark.

Anfragen für Bibliotheks-Sonderführungen: Tel. 06405 91040; auch kombinierbar mit Führungen im Schlossmuseum: Tel. 06405 921 321.

© Fotos: KulturRegion; Alexander Paul Englert; Text: Julia Wittwer

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Kulturtouristiker Markus Stiehl, Schlossherr Karl Georg Graf zu Solms-Laubach und Schlossbibliothekarin Trautel Wellenkötter in der Laubacher Schlossbibliothek

Für mich ist besonders, dass ich hier im Familienschloss groß geworden bin und vor allem sind es meine Vorfahren, die seit 1548 ganz hier in Laubach wohnen und deren Lebenslauf, Vorlieben und vor allem deren Kunstleidenschaft ich kenne. Die Bibliothek ist entstanden durch alle meine Vorfahren, denn alle waren Sammler. Es ist ein tolles Gefühl für mich das Erbe in dieser Kette fortzuführen. Ein Vorfahr von mir, Graf Friedrich Magnus zu Solms-Laubach, der in Wittenberg studiert hat, und mit Philipp Melanchthon befreundet war, hat im 16. Jahrhundert eine Lateinschule gegründet. Er hat die Sammlung begonnen. Die Bibliothek ist eine Mischung aus Landesbibliothek, in der es alles gab, was es an Informationen brauchte, um ein kleines Land mit eigener Währung und Gesetzen regieren zu können, aber auch einer Familienbibliothek, denn alle Familienmitglieder haben privat Bücher gesammelt.

Das Besondere ist der Spiegel der Zeit, denn man kann genau ablesen, was bei jeder Generation die Schwerpunkte waren. Die Bibliothek ist geordnet nach Buchbindern – Buchbindergenerationen und Buchbindekunst – aber in Zukunft bekommt jeder Nachkomme einen eigenen Raum. Ich bin auch Sammler. Ich sammle Grafik, mein Schwerpunkt liegt auf Kunstbüchern. Eine besondere Freude macht mir zum Beispiel die Druckgrafik von Piranesi, ein italienischer Architekt, der ganz Rom inventarisiert hat.

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Graf Karl Georg blättert in seinem Lieblings-Werk, einem großformatigen Buch mit Druckgrafiken aus dem Jahr 1800 des italienischen Architekt und Kupferstechers Giovanni Battista Piranesi

Karl Georg Graf zu Solms-Laubach: Wir haben seit 20 Jahren jedes Jahr eine Sonderausstellung, die verschiedene Aspekte der Bibliothek beleuchtet und von Frau Wellenkötter gemacht wird. Sie sucht ein aktuelles Thema und besondere Bücher mit Grafiken aus, die das Thema veranschaulichen.

Trautel Wellenkötter: 2020 gab es zum Beispiel aus Anlass von Corona eine Ausstellung mit bedeutenden Büchern der Medizingeschichte, die großen Anklang gefunden hat. Das Thema dieses Jahr heißt „Gott und die Welt“ und fängt am 20.4. an. Die Bibliothek und die Ausstellung kann immer mittwochs ab 17 Uhr bei einer öffentlichen einstündigen Führung besucht werden, oder auf Anfrage im Rahmen einer Gruppen-Sonderführung. Begonnen wird im zentralen Eingangsraum mit Handschriften, Buchdruck, es geht mit Büchern zur Reformation weiter, dann Kopernikus mit dem Wandel des Weltbildes bis hin zur Aufklärung.

Es gibt auch eine ständige Ausstellung zu den Solmser Frauen, die zum Teil sehr emanzipiert waren und das Land mitregiert haben. Hier gibt es 500 Jahre deutsche und europäische Geistesgeschichte und Bücher zu den verrücktesten Themen. Ein Schwerpunkt der Bibliothek liegt auf Rechtswissenschaften, weil viele Grafen als Juristen am Reichskammergericht tätig waren.

Eine weitere Besonderheit ist die kunstvolle Aufstellung der heute ca. 120.000 bis 130.000 Titel, nach Schönheit und Zeit, nicht nach Autor oder Thema. So hat sich die Buchkunst der Zeit zusammengefunden.

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Markus Stiehl, u.a. Geschäftsführer der Laubacher Tourismus und Service GmbH zeigt uns den wunderschönen Schlosspark, wichtiger Veranstaltungsort der Stadt Laubach

Kultur in Laubach hat eine lange Tradition, die durch die Geschichte und das Grafenhaus gegeben ist. Es war eine Residenzstadt bis 1806, was sich bis heute in traditionsreichen Festen wie zum Beispiel dem jährlichen Ausschussfest zeigt. Es geht auf die Bürgergarde zurück und wird an drei Tagen nach Pfingsten gefeiert. Hier im Laubacher Schlosspark, unser Schätzchen und Veranstaltungsort, findet z.B. im August das hessische Bluesfestival „Blues, Schmus und Apfelmus“ statt. In Zusammenarbeit mit der Gräfin entstanden, gibt es hier im Park eine „Poesierunde“ mit 22 Stationen mit Gedichten, aus der Zeit der Entstehung des Parks. Der als englischer Landschaftsgarten angelegte Park mit uraltem Baumbestand wird von der Stadt gepflegt, die ihn vom Grafenhaus gepachtet hat. Die Veranstaltungen im „GartenRheinMain“-Programm finden hier im Park statt. Auch das Lichterfest, ein Familienfest, bei dem der Park mit tausenden von Lichtern dekoriert wird und wo es bei Spiel, Speisen und Getränken jede Menge an Illuminationen und ein abschließendes Feuerwerk zu erleben gibt.

Als nördlichste Mitgliedsgemeinde haben wir dennoch starke Verknüpfungen nach Rhein-Main und Frankfurt, nicht zuletzt durch die Solmser Grafen, die sich in diese Richtung weiter ausgebreitet haben. Uns ist es wichtig die Verbindung zur Metropole nicht zu verlieren, obwohl wir wirklich an der Peripherie liegen. Das wissen viele unserer Gäste zu schätzen, denn hier gibt es, was man in der Metropole vielleicht nicht hat, also eine wunderschöne Natur und Wald und die Möglichkeit Kultur zu erleben, die lange Tradition hat. Wer einmal den Weg hierher gefunden hat, der wird vielleicht wiederkommen und es möglicherweise anderen Leuten erzählen. Daher freut es mich umso mehr, dass wir hier (in der KulturRegion) vertreten sind.