Landkreis für Leseratten – Persönlichkeiten und Lieblingsorte in der KulturRegion

© Alexander Paul Englert

„Ich mache alles, was Kinder und Bücher zusammenbringt!“ Das ist das Motto von Sabine Stemmler-Heß, Kulturbeauftragte im Rheingau-Taunus-Kreis und Organisatorin des Lesefest Rheingau-Taunus, das in diesem Jahr sein 20. Jubiläum feiert. Gemeinsam mit der Leiterin der Stadtbücherei, Claudia Jäger, begrüßt sie uns in der Altstadt von Idstein, einer der 17 Orte, in denen das Lesefest stattfindet - und unsere nächste Station auf der Reise durch die KulturRegion zu Lieblingsorten und besonderen Persönlichkeiten. Von den beiden erfahren wir, was das Lesefest so besonders macht und welche bedeutende Rolle Bibliotheken insbesondere für Kinder und Jugendliche spielen. Der ehemalige Landrat Frank Kilian (bis Juni 2023) verrät uns außerdem seine Kulturtipps für den Rheingau-Taunus-Kreis.

© Fotos: KulturRegion; Alexander Paul Englert; Text: Kristina Maurer

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Sabine Stemmler-Heß, ehemaliger Landrat Kilian und Claudia Jäger lesen in der Idsteiner Altstadt
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Claudia Jäger und Sabine Stemmler-Heß vor der Idsteiner Stadtbücherei
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Ehemaliger Landrat Frank Kilian

Idstein ist kulturell sehr vielfältig. Seit ein paar Jahren gibt es zum Beispiel den Kulturbahnhof, an dem, in Kooperation mit der Hochschule Fresenius, Spielekreise, Improtheater, Vorträge, Konzerte oder Kabarett organisiert werden. Mit mehreren Grund- und weiterführenden Schulen sowie der Hochschule ist Idstein zudem ein wichtiger Bildungsstandort im Landkreis. Außerdem haben wir eine liebenswerte Altstadt, die mit ihren charmanten Fachwerkhäusern viel Tagestourismus nach Idstein zieht.

Die Bibliothek hier ist ein wichtiger Anlaufpunkt, vor allem für Familien mit Kindern unter zehn Jahren. Für diese bauen wir unseren Bestand auch immer weiter aus. Zum Beispiel bieten wir aktuelle Formate wie interaktive Tiptoi-Bücher oder Tonie-Hörspiel-Boxen an. Zudem haben wir vor, unsere Bücherei zu erweitern und sind aktuell auf der Suche nach größeren Räumlichkeiten. Dann können wir uns auch als dritten Ort in der Stadt etablieren. Eltern könnten ihren Kindern hier in der Bibliothek vorlesen, wir könnten für Jugendliche ein Platz zum Lernen werden oder auch ein konsumfreier Ort für Erwachsene, die einfach eine Zeitung oder Zeitschrift lesen wollen.

Gemeinsam mit den Schulen und dem Hexenbuchladen in Idstein beteiligen wir uns natürlich auch schon seit langem am Lesefest Rheingau-Taunus und profitieren sehr von der landkreisweiten Vernetzung. Beispielsweise können wir uns Materialien für Medienbildung über das Medienzentrum in Geisenheim ausleihen oder auch Lesungen mit namhaften Autor*innen veranstalten, was sonst nicht möglich wäre. Da die Lesekompetenz bei immer mehr Kindern zurückgeht, ist es immens wichtig, sie zum Lesen zu motivieren. Und das funktioniert! Nach Lesungen oder Führungen in der Bücherei lassen sich jedes Mal viele neue Kinder einen Bibliotheksausweis machen.

Beim Lesefest machen wir alles, was Kinder und Bücher zusammenbringt: Wir haben schon in den tiefsten Kellern, auf den höchsten Türmen, in Weingütern, Schlössern oder auf Schiffen Lesungen veranstaltet. Es gibt jedes Jahr ein Programmheft, in dem alle Städte und Veranstaltungen aufgeführt sind. Eines der Highlights in diesem Jahr ist sicher die Autorinnenlesung mit Kirsten Boie,der derzeit bekanntesten Kinderbuchautorin in Deutschland. Aber eigentlich haben wir nur Highlights im Programm, beispielsweise auch die Lesungen auf dem Fußballplatz mit der Autorin Martina Wildner zum Thema Mädchenfußball mit der KulturRegion zusammen.

Ich sehe mich aber nicht in erster Linie als Event-Veranstalterin, sondern meine Aufgabe ist auch eine bildungspolitische: Wir wollen jedes Kind im Landkreis für Bücher und Lesen begeistern. Und dafür machen wir fast alles – nicht nur an jedem Ort, sondern auch in jedem Format, egal ob Autorenlesung, Schreibworkshop oder unser neues Book-Bike. Das können alle Bibliotheken im Rheingau ausleihen, Bücher und Bastelzeug hineinpacken und dann zum Beispiel ans Rheinufer fahren und dort mit den Kindern gemeinsam lesen und spielen – quasi eine Bibliothek to go. Denn Lesen soll ja auch Spaß machen und nicht nur als lästige Hausaufgabe gesehen werden. Verstärkt durch die Corona-Pandemie können mittlerweile knapp 30 Prozent der Kinder, die die Grundschule verlassen, nicht richtig lesen. Und darum wollen wir Leseanlässe und Begegnungen mit Literatur bieten und zwar für alle im Landkreis. Durch das Lesefest schaffen wir auch vergleichbare Verhältnisse im städtischen und ländlichen Raum. Büchereien in kleineren Orten können durch unsere Förderung bekannte Autor*innen einladen oder Materialien ausleihen. Zudem sind wir der erste Landkreis Hessen, der als Kreis Mitglied im Onleihe-Verbund Hessen geworden ist. Das heißt, hier in Walluf oder Waldems kann man die gleichen E-Books lesen wie in der Stadtbücherei Frankfurt.

Nachdem das Lesefest vor 20 Jahren mit einem Tag an der Eltviller Burg mit selbstbemalten Fahnen angefangen hat, wollten nach und nach immer mehr Kommunen, zuerst im Rheingau und später auch im Taunus, mitmachen. So ist das Lesefest immer größer geworden und hat sich weiterentwickelt – auch durch die Unterstützung des Landkreises, nicht umsonst hat unser Landrat den Spitznamen „Leselandrat“.

Der Beitritt des Rheingau-Taunus-Kreises zur KulturRegion war mir ein persönliches Anliegen, denn in meiner vorherigen Funktion als Bürgermeister der Hochschulstadt Geisenheim hatte ich bereits deren Mitgliedschaft herbeigeführt. Der Rheingau-Taunus-Kreis ist kulturell sehr gut aufgestellt: Zum einen durch seine kulturhistorischen Bauten, aber auch durch zahlreiche kulturelle Veranstaltungen, die dort stattfinden, wie beispielsweise das Rheingau-Musik-Festival, das Jazzfestival in Idstein, das Lesefest des Rheingau-Taunus-Kreises oder auch Theateraufführungen auf Burg Hohenstein.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen gerade jetzt nach den vergangenen zweieinhalb Jahren der Corona-Pandemie wieder zur Kultur strömen. Deshalb ist es mir wichtig, die Möglichkeiten, die wir haben, stärker zu nutzen, indem wir die Leistungsträger auf dem kulturellen Sektor motivieren, sich nach der Durststrecke wieder einzubringen und Angebote zu liefern. So können wir dann natürlich auch Menschen in die Region ziehen und ihnen zeigen, was der Rheingau-Taunus-Kreis auf diesem Feld zu bieten hat. Da ist mir die Unterstützung der KulturRegion FrankfurtRheinMain mit ihren verschiedenen Programmen ein großer Gewinn.