Für die 32. Station auf unserer Reise zu besonderen Orten und Persönlichkeiten in der KulturRegion fahren wir an einem sonnigen Herbsttag Richtung Treisberg in den Hochtaunuskreis und halten am Wanderparkplatz Landsteiner Mühle. Idyllisch gelegen und von farbenfrohen Wäldern umgeben, liegt vor uns die Kirchenruine „Unsere Liebe Frau zum Landstein“. Gemeinsam mit Ulrich Krebs, Landrat des Hochtaunuskreises, Gregor Maier, Fachbereichsleiter Kultur des Hochtaunuskreises, und Wolfgang Ettig, Heimatforscher, besichtigen wir die sehenswerten Mauerreste der ehemaligen Wallfahrtskirche aus dem 15. Jahrhundert. Die drei Persönlichkeiten verbinden viele Jahre gemeinsame Forschungs- und Ausgrabungszeit mit ihrem Lieblingsort, der nicht nur spannende Geschichte birgt, sondern bis heute ein besonderer Ort der Spiritualität ist. Im Anschluss an den Besuch der Ruine, die seit 2024 wieder für Besucher*innen zugänglich ist und als Veranstaltungsort genutzt wird, sehen wir uns die Ausstellung zu ihrer Geschichte in der Alten Schule in Treisberg an, die nur einen kurzen Fußmarsch entfernt liegt. Über Infotafeln an der Ruine, Flyer und eine Website werden Interessierte über die Kirchenruine und die Öffnungszeiten der Ausstellung informiert.
© Fotos: KulturRegion, Alexander Paul Englert; Redaktion: Elisa Medenbach, Julia Wittwer
Was macht die Kirchenruine Landstein für Sie besonders, lieber Landrat Krebs?
Der Landstein verbindet in ganz besonderer Art und Weise Natur und Kultur hier im Taunus und er hat auch eine besondere spirituelle Note. Das findet sich in dieser Zusammenballung an sonst keinem anderen Ort im Landkreis. Persönlich verbinde ich damit natürlich auch die vergangenen fünf Jahre, wo wir uns hier am Ort mit einem großen Team bemüht haben, die Kirche archäologisch zu sichern und das, was noch da ist, zu restaurieren.
Ich finde, hier ist ein sehr schöner Ort entstanden, an dem Menschen zusammenkommen können. Zum Beispiel können Menschen, die beim Wandern unterwegs sind, hier Rast machen und sich durch dieses jahrhundertealte Bauwerk ansprechen lassen. Es steht ja auch ein bisschen für unsere Tage. Das Ganze ist unfertig, es ist eine Ruine, aber es regt die Fantasie an und steht damit vielleicht auch für den Aufbruch zu neuen Ufern.
Und warum fasziniert Sie dieser Ort, lieber Gregor Maier?
Zum einen ist die Kirchenruine archäologisch sowie historisch äußerst spannend, was wir nicht nur durch sechs Jahre Grundlagenforschung herausfinden konnten. Bemerkenswert ist, dass die Kirche relativ abgelegen im freien Feld liegt, wie wohl auch schon im Mittelalter, denn es münden an dieser Stelle nur Bäche ineinander, es gab eine Mühle, aber kein Dorf. Zudem lief die Geschichte der Kirche in kürzester Zeit ab: Um 1350 gab es einen ersten archäologisch nachgewiesenen Kirchenbau, im Jahr 1500 ist in den Archiven zum ersten Mal von ihr die Rede, sie blühte dann innerhalb von 20 Jahren auf, um mit der Reformation abrupt wieder aufgegeben zu werden.
Zum anderen ist auch der inspirierende Charakter des Wallfahrtsortes sehr besonders, vor allem aufgrund der vielen Sagen und Geschichten über die Ruine, die immer wieder fesseln und die Fantasie anregen. Zum Beispiel die Sage um die roten Mönche, die einst in einem Kloster am Landstein gelebt haben sollen, im Zuge der Reformation aber vertrieben wurden. Einen in Holz nachgebildeten roten Mönch, der auf die Ruine hinunterblickt, finden Wandernde auf einer Anhöhe in der Nähe.
Auch Wolfgang Ettig erzählt uns seine persönliche Verbindung:
Die Ruine ist einerseits mein Lieblingsort, weil ich von Anfang an hier gegraben habe und somit die ganze Entwicklung der archäologischen Untersuchungen mitbekommen und mitbegleitet habe, aber auch, da die Geschichte der Ruine äußerst spannend ist und was an Fundstücken vor Ort oder an anderen Stellen rekonstruiert werden konnte. So bedienten sich die Baumeister einst bei der Errichtung der Wallfahrtskirche anscheinend an römischen Ziegeln vom ehemaligen Feldbergkastell. Später diente ihre Kirche dann selbst wiederum als Materialfundus für andere Bauten. Die ursprünglichen Säulen, ein Sandsteinportal und anderes wurden zum Beispiel nach dem großen Stadtbrand in Usingen, dem auch die Laurentiuskirche zum Opfer fiel, dort 1649/50 wiederverwertet.
Was können Besucher*innen hier erleben, lieber Herr Maier?
Es finden regelmäßig Familiengottesdienste statt, bei denen die Kirchengemeinde aus Bad Homburg beispielsweise eine Art Wallfahrt veranstaltet, erst einen Wandertag und im Anschluss zum Freiluftgottesdienst hier in der Ruine zusammenkommt. Es können nun auch weitere Veranstaltungen, wie zum Beispiel Konzerte, in der Kirchenruine stattfinden. Außerdem gibt es um die Kirche herum sehr schöne Rad- und Wanderwege.
Wolfgang Ettig ergänzt:
An der Ruine gibt es Informationstafeln, die über die Geschichte und Ausgrabung der Kirchenruine informieren. Außerdem können Besucher*innen in Kürze über einen QR-Code die in 3D rekonstruierte Kirche virtuell besuchen und sich in ihr umschauen. Zusätzlich soll noch ein Modell der früheren Kirche vor der Ruine aufgestellt werden.
In der Alten Schule oben in Treisberg, unserem Ausstellungsort, präsentieren wir zudem aktuell eine Ausstellung zur Geschichte und zur Ausgrabung der Ruine mit Fundstücken. Die Ausstellung ist von der Kirchenruine auf einer kleinen Wanderung gut zu erreichen.
Der Hochtaunuskreis ist seit 2005 Mitglied in der KulturRegion und bereichert ihre Projekte mit vielen kulturellen Angeboten. Was ist für Sie das Besondere daran, Teil des Kulturnetzwerks zu sein, lieber Landrat?
Die KulturRegion steht dafür, dass sie die Städte und Gemeinden der Region miteinander vernetzt und auch kleine Kulturangebote in den Mittelpunkt stellt. Ich kenne das nicht nur als Landrat vom Hochtaunuskreis, sondern von der städtischen Seite her auch als früherer Bürgermeister von Flörsheim. Deshalb kann ich sagen, dass sie ein wertvoller Bestandteil der Region ist. Denn wir haben zum Beispiel eben nicht nur die großen Museen in Frankfurt, Wiesbaden oder Darmstadt, wir haben auch etliche kleinere hier in der Region. Und die KulturRegion hilft als unverzichtbarer Bestandteil dabei, diese vielen Angebote sichtbar zu machen. Deshalb wünsche ich mir, dass zu ihrem 20. Jubiläum nächstes Jahr noch viele weitere Jahre dazukommen.
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