Ein Ort voller guter Geister! Wir haben Rüdesheim erreicht, die 25. Station auf unserer Reise zu den Persönlichkeiten und ihren Lieblingsorten in der KulturRegion. Hier wurde viele Jahre ein berühmter Weinbrand hergestellt, aber diese Geschichte ist Asbach uralt!
In der weitläufigen Anlage der ehemaligen Weinbrand Destillerie Asbach treffen wir Annemarie Wendel. Die gebürtige Dänin und Kulturmanagerin sorgt dafür, dass aus dem Ort, an dem einst die Brennblasen brodelten, Kultur, Kunst und Gewerbe gedeihen. In der großen Brennhalle begegnen wir auch Bürgermeister Klaus Zapp, der von der Bedeutung dieser wertvollen Umnutzung für die Stadt spricht.
In direkter Nachbarschaft zur Asbachgasse liegt die Brömserburg, wo uns Vera und Bernhard Jung empfangen. Das Ehepaar hat gemeinsam mit anderen die mittelalterliche Burg übernommen und sich zum Ziel gesetzt, die Anlage wieder begehbar zu machen. Bis dahin beleben sie den hinreißend schönen Burggarten mit vielerlei Kulturaktionen. Auf dem Dach der Burg blicken wir gemeinsam auf das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal und lassen uns von Vera Jung von den Geistesgrößen erzählen, die hier im 19. Jahrhundert Station machten: Goethe, Turner, Paganini, sie alle waren hier und prägen bis heute die Sicht auf diesen Teil unserer Region.
Liebe Frau Wendel, Sie haben uns in die Asbachgasse eingeladen. Schon auf den ersten Blick ein spannender und lebendiger Ort. Was können wir hier erleben?
Bis vor etwa 30 Jahren war die Asbachgasse ein Teil der Produktion des einst größten Unternehmens in Rüdesheim, der Weinbrand Destillerie Asbach. Fast ein Vierteljahrhundert lang versank die weitläufige Anlage in einem Dornröschenschlaf, aus dem wir sie vor etwa sieben Jahren aufgeweckt haben. Die Gebäude sind buchstäblich „Asbach uralt“, aber im Inneren gibt es ständig neue Entwicklungen. Hier geschehen viele spannende und auch spontane Aktionen, um die Menschen auf diesen Ort aufmerksam zu machen. Schritt für Schritt lassen sich bestandfeste Einrichtungen nieder, die besondere Erlebnisse bieten. Mittlerweile gibt es hier eine Vinothek, ein Gourmet-Restaurant und ein Unternehmen, das sich dem Upcycling-Design widmet. Künstler*innen haben sich mit ihren Ateliers niedergelassen und hinzu kommen wechselnde Ausstellungen. Seit 2022 gibt es in der ehemaligen Verwaltungsvilla das Erlebnismuseum Mechanicum, das zeitgenössische mechanische und akustische Kunst zeigt.
Lieber Herr Bürgermeister Zapp, was macht für Sie diesen Ort so besonders?
Die weitläufige Asbachgasse bietet sowohl Geschichte und Tradition als auch ausgefallene neue kreative Konzepte und eine einzigartige Umgebung mit Charme. Die Lebendigkeit des Ortes ist etwas ganz Besonderes. Hier lässt es sich gemütlich flanieren, shoppen und bei exquisiten kulinarischen Spezialitäten verweilen und genießen. Ob Kultur-Events, Konzerte, Märkte, Messen, Hochzeiten oder Tagungen: Die großzügige Brennhalle - mit industriellem Charme - ist die perfekte Location für unterschiedlichste Veranstaltungsformate.
Nur wenige Minuten zu Fuß entfernt liegt ebenfalls ein imposantes Bauwerk: die fast eintausend Jahre alte Brömserburg, eine der ersten festen Burgen im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal. Aktuell kann das Kulturdenkmal aus Sicherheitsgründen leider nicht besichtigt werden, aber bis zur Wiedereröffnung lädt der romantische Burggarten zum Verweilen ein.
Liebe Frau Jung, lieber Herr Jung, für uns öffnen Sie ausnahmsweise die schweren Türen und nehmen uns mit auf eine spannende Entdeckungstour: verwinkelte Gänge, enge Treppenanlagen und zahlreiche Räume. Die Brömserburg spielt eine besondere Rolle für die Rheinromantik. Erzählen Sie uns davon?
Frau Jung: Die Brömserburg blickt auf eine jahrhundertlange, wechselvolle Vergangenheit zurück. Als Burg am rechtsrheinischen Ufer erlebte sie politische Konflikte, kulturelle Blüte sowie den Aufstieg und den Fall ihrer Bewohner*innen. Ihre Geschichte beginnt mit ihrer Fertigstellung im frühen 12. Jahrhundert als Zoll- und Wehrburg der Ritter Brömser. Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges und dem Niedergang der Familie verfiel auch die Burg. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kauften die Grafen von Ingelheim die Ruine und bauten sie zur romantischen Wohnburg um. Die Brömserburg entwickelte sich zu einem kulturellen und gesellschaftlichen Zentrum ihrer Zeit.
Der romantische Bau in Rüdesheim markiert den geografischen Eintritt zum Mittelrhein und diente als Vorbild für spätere Rheinburgen. Sie gilt noch heute als konstitutives Element der Rheinromantik! In den Gästebüchern der Familie von Ingelheim finden sich Einträge von Johann Wolfgang von Goethe, den Gebrüder Grimm, Niccolo Paganini, Gottfried Semper, Felix Mendelsohn-Bartholdy sowie berühmte Vertreter aus Politik und Gesellschaft. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts diente sie den Grafen von Ingelheim als Wohnsitz.
Die Brömserburg hat sich in den vergangenen Jahren zu einem kulturellen Hotspot in Rüdesheim entwickelt. Was können wir hier erleben?
Herr Jung: Im Garten der Brömserburg finden an fast jedem Wochenende Konzerte auf der Traktorbühne und viele andere Veranstaltungen auf dem Gelände statt. Die kulturelle Vielfalt reicht von Opernabenden, Benefizkonzerten und Oldtimertreffen über Kindersonntage bis hin zum überregional bekannten Harley-Davidson-Treffen „Magic Bike“. Das gesamte Burg-Team ist hoch motiviert und freut sich auf einen tollen Sommer, mit mitreißenden Konzerten, glücklichen Gästen und einem guten Miteinander. Spätestens wenn bei Musik und einem Glas Wein die Sonne am Rüdesheimer Berg untergeht, werden Sie sich mit Sicherheit, so wie wir, in diesen magischen Ort verlieben.
Liebe Frau Jung, es ist noch sehr viel zu tun bis das Innere der Burg wieder gänzlich hergerichtet ist. Sie haben sich mit anderen Engagierten zusammengeschlossen, um die Brömserburg zu erhalten und als Kultur- und Begegnungsstätte weiter zu entwickeln. Was motiviert Sie?
Als Bürgerkonsortium wollen wir ein Zeichen setzen für bürgerliches Engagement, für unsere Verbundenheit mit Rüdesheim am Rhein und dem Rheingau, unserer Heimat.
Wir sind fünf Ehepaare, allesamt Freunde, die sich für die Bewahrung des kulturellen Erbes der Brömserburg einsetzen. Unser Motto lautet: Der Zukunft die Vergangenheit bewahren. Das ist unsere Motivation. Und was soll ich sagen? Wir lieben Abenteuer!
Lieber Bürgermeister Zapp, seit 2015 ist Rüdesheim am Rhein Mitglied in der KulturRegion. Was bedeutet diese Partnerschaft für die Stadt?
Für uns ist es von großer Bedeutung, Teil der KulturRegion in der Metropolregion FrankfurtRheinMain zu sein. Mit den über 50 Landkreisen, Städten, Gemeinden und dem Regionalverband sind wir eine starke Stimme für die Kultur in unserer Region. Nachhaltiges Vernetzen steht hier im Fokus und eine attraktive Präsentation von Kultur. Das zeigen Projekte wie etwa das Klangkunstprojekt im Rahmen der letzten „Tage der Industriekultur Rhein-Main“. Was wäre unsere Gesellschaft ohne Kultur? Kultur ist die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen und gestaltenden Leistungen. Sie muss immer gepflegt und erhalten bleiben! Dies kann nur gemeinsam gelingen.
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