Beinahe wäre der historische Wasserturm nach seiner Stilllegung 1979 abgerissen worden. Das wollten die Menschen in Jügesheim, einem Stadtteil von Rodgau im Landkreis Offenbach, allerdings nicht einfach hinnehmen. 1938 im Zuge des Wasserleitungsbaus errichtet, ist der über 43 Meter hohe Turm zu einem Wahrzeichen und einer Landmarke geworden. Das liegt auch an seiner markanten Gestaltung im expressionistischen Stil der 1920er Jahre. Der rot verklinkerte Hochbehälter aus Beton sitzt auf einem kleinen, quadratischen Mittelteil mit vier kreuzförmig angeordneten und nach unten abgestuften Pfeilern. Ein Ringanker aus Beton sorgt für die Standfestigkeit. Wer vom Hochbehälter die 170 Stufen zur Turmstube erklimmt, wird mit einem außergewöhnlichen Blick in die weite Landschaft belohnt.
Heute ist der Wasserturm auch ein Ort der Vermittlung und des kulturellen Engagements. Dafür sorgen die Freunde des Wasserturms 1986 e. V. Die Ehrenamtlichen haben sich nicht nur dem Erhalt des Bauwerks verschrieben haben, sondern auch der Vermittlung seiner Geschichte. Zu den vielfältigen Aktionen gehören Turmfeste und Führungen, die für Schulklassen sogar kostenfrei angeboten werden.
Walter Koser vom Vorstand des Vereins beantwortet unsere 5 Fragen zum Ehrenamt in der Industriekultur
Wofür setzen sich die „Freunde des Wasserturms 1986“ ein?
Wir engagieren uns für den Jügesheimer Wasserturm, die Pflege des Jügesheimer Kulturgutes und die Heimatkunde. Wir führen Bürgerinnen und Bürger, Vereinsgruppen, Kindergartengruppen und Schulklassen durch den Turm und erklären die öffentliche Wasserversorgung einst und jetzt. Um den Turm bekannter zu machen und für unseren Verein zu werben, veranstalten wir beispielsweise Wasserturmfeste und nehmen regelmäßig an den „Tagen des offenen Denkmals“ und den „Tagen der Industriekultur“ teil. Und auf Anfrage bieten wir Turmführungen an – für Schulklassen kostenfrei und von anderen Gruppen gegen eine Spende.
Was treibt Sie an?
Der Anlass für die Gründung unseres Vereins 1986 war der beabsichtigte Abriss des Turms nach dessen Stilllegung wenige Jahre zuvor. Viele Jügesheimer waren empört, denn der Wasserturm war und ist bis heute für Viele ein Stück Heimat. Bei der Rückkehr von einer langen Reise etwa ist der Anblick des Turms von weither das Signal: „Wir sind gleich wieder zu Hause.“ Der Bau des Turms im Rahmen der erstmaligen Einrichtung einer öffentlichen Wasserversorgung bedeutete einen großen Fortschritt für die Bürger. Heute ist es kaum vorstellbar, wie sich die Menschen bis dahin ihr Wasser aus der Rodau, den öffentlichen Brunnen oder mit privaten Gartenpumpen beschaffen mussten. Der Turm ist deshalb auch als steinernes Kulturgut ein Stück Industriegeschichte. Er steht für die Geschichte des Fortschritts. Deshalb sollte er unbedingt erhalten und gepflegt werden.
Wie kann ich mich bei Ihnen konkret engagieren?
Wir freuen uns über jede Beteiligung und über alle Interessierte! Engagieren kann man sich schon durch den Mitgliedsbeitrag aber auch durch die Arbeit im Vorstand oder bei unseren zahlreichen Aktivitäten wie etwa der Unterstützung bei Vereinsfesten und den Turmöffnungen.
Gibt es gerade ein besonderes Projekt?
Derzeit sind wir dabei zusammen mit der Stadt Rodgau das Gelände rund um den Turm neu zu gestalten. Es sind immer noch Schäden durch einen verheerenden Sturm vor einigen Jahren vorhanden, die es zu beseitigen gilt. Das Gelände soll in Zukunft ansprechender und einladend werden.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Vereins und des Wasserturms?
Auch in unserem Verein merken wir, dass die Mitglieder im Schnitt älter werden und die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Engagement doch eher sinkt. Wir wünschen uns daher viele junge engagierte und motivierte Menschen, die bei uns mitmachen wollen. Wir wünschen uns, dass die Verantwortlichen der Stadt auch in Zukunft viel Verständnis für den Turm und die Kultur haben. Denn unser Wasserturm ist für uns ein wertvolles Stück Heimatkultur.
Redaktion: Kay-Hermann Hörster
© 2024 KulturRegion FrankfurtRheinMain gGmbH