Der Frankfurter Flughafen ist eines der wichtigsten Luftverkehrskreuze weltweit und ein bedeutender Wirtschafts- und Standortfaktor für das Rhein-Main-Gebiet. Welche Einflüsse hat der Flughafen aber konkret auf die Region? Damit beschäftigt sich das Umwelt- und Nachbarschaftshaus (UNH) in Kelsterbach, unsere 34. Station auf unserer Reise zu besonderen Orten und Persönlichkeiten in der KulturRegion. Das UNH befindet sich in denkmalgeschützten Räumlichkeiten auf dem Gelände der ehemaligen ENKA-Textilfabrik. Das beeindruckende Industriedenkmal bietet den Rahmen für eine Entdeckungsreise, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit den Vor- und Nachteilen des Flughafens auseinandersetzt. Gemeinsam mit Kelsterbachs Bürgermeister Manfred Ockel erfahren wir von Dr. Michael Charalambis, Geschäftsführer des UNH, sowie seinen beiden Mitarbeiterinnen Kerstin Ferreira da Silva und Anna Korbmacher, wie die Auswirkungen des Frankfurter Flughafens im UNH untersucht werden. Sie erklären uns auch, wo Konfliktpotenzial rund um den Flughafen entsteht und wie konkrete Maßnahmen zur Schlichtung umgesetzt werden.
Das UNH wird als eines von rund 100 Ausstellungshäusern in unserem aktuellen Museumsheft „Museen & Sonderausstellungen“ vorgestellt. Interessierte Gruppen oder Privatpersonen können sich auf der Webseite über ein Kontaktformular, per Mail oder telefonisch zu einem Besuch anmelden, da das UNH aktuell keine regelmäßigen Öffnungszeiten hat. Der Besuch der Ausstellung ist kostenfrei.
© Fotos: KulturRegion, Alexander Paul Englert; Redaktion: Kristina Maurer
Lieber Herr Dr. Charalambis, was macht das Umwelt- und Nachbarschaftshaus in Kelsterbach so besonders?
Zunächst fungiert das Umwelt- und Nachbarschaftshaus als Geschäftsstelle für die Koordination und Administration des Forum Flughafen und Region und bietet Raum für den Dialog zwischen der Region und der Luftverkehrswirtschaft rund um den Frankfurter Flughafen. Konflikte, wie sie im Zusammenhang mit der Protestbewegung gegen die Startbahn West Anfang der 1980er Jahre aufgetreten sind, konnten durch die frühzeitige Einbindung aller Betroffenen in die Diskussion über den weiteren Flughafenausbau und dessen Folgen vermieden werden. Es ist gelungen, alle Interessensgruppen an einen Tisch zu bringen, um gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln. Wichtige Ergebnisse aus dem Mediations- und Dialogprozess sind der Anti-Lärm-Pakt mit einer Vielzahl von daraus resultierenden Lärmschutzmaßnahmen und das Nachtflugverbot. So fördern wir bis heute den Dialog und bieten mit dem Umwelthaus einen Ort, in dem sich seit vielen Jahren alle Beteiligten mit verschiedenen Interessenslagen zu den positiven und negativen Auswirkungen des Flughafens austauschen, gemeinsame Projekte erarbeiten und einvernehmliche Ergebnisse erzielen. Ein wesentliches Merkmal des Dialogforums ist, möglichst viele Perspektiven einzubinden. So sind unter anderem sowohl die Luftverkehrsseite als auch die betroffene Bevölkerung sowie die Landespolitik im Forum vertreten.
Zu unseren Aufgaben gehört auch, Informationen zu beschaffen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, sodass wir uns auf Augenhöhe austauschen können. Dazu machen wir Monitorings, beobachten den Fluglärm und Schadstoffemissionen sowie soziale und infrastrukturelle Entwicklungen, die vom Flughafen beeinflusst werden. Hierfür geben wir auch Studien in Auftrag, die beispielsweise die Auswirkungen von Fluglärm auf die Gesundheit und den Einfluss des Flughafens auf die Belastung der Region mit ultrafeinen Partikeln untersuchen.
Die Ergebnisse dieser Monitorings zeigen wir auf unseren Internetseiten und in einer interaktiven Ausstellung im Umwelt- und Nachbarschaftshaus. Auch hier ist uns wichtig, alle Informationen neutral darzustellen und positive wie negative Aspekte zu den verschiedenen Themen aufzuzeigen.
Liebe Frau Ferreira da Silva, liebe Frau Korbmacher, Sie geben Führungen durch die Ausstellung. Was können die Besucher*innen hier erleben?
Die Ausstellung richtet sich an alle Personen, die sich über die Auswirkungen des Frankfurter Flughafens auf die Region informieren und austauschen wollen. Uns besuchen überwiegend Schulklassen und Studierendengruppen, denen wir ansprechende Vermittlungsformate machen. Mit der App „Actionbound“ können sich die Gruppen auf eine digitale Schnitzeljagd begeben und dann ganz eigenverantwortlich die Ausstellung entdecken und verschiedene Aufgaben lösen. Alternativ bieten wir auch ein Escape Room-Spiel an oder die Gruppen können eine Mediation zum Thema Flughafenausbau nachstellen.
Über die Ergebnisse der Monitorings informieren wir in verschiedenen Themen-Räumen. Zum Beispiel können die Besucher*innen nachschauen, in welchem Umfang ihr Wohnort von Fluglärm betroffen ist und auch verschiedene Lärmquellen miteinander vergleichen. Wir zeigen, wie der Flughafen mit der Zeit gewachsen ist und welche Auswirkungen der Luftverkehr auf die Umwelt hat. Ein weiterer Teil ist das Thema Passagiere und Fracht. Hier zeigen wir Warenströme und die Besucher*innen können ihren eigenen CO2-Fußabdruck bestimmen. Wir beschäftigen uns auch mit den Themen Arbeitsplätze und Infrastruktur und zum Abschluss der Ausstellung geht es um Zukunftsvisionen.
Die Stadt Kelsterbach ist seit 2011 Mitglied in der KulturRegion. Was bedeutet die Mitgliedschaft für Sie, lieber Bürgermeister Ockel?
Wir tun gut daran, uns im Rhein-Main-Gebiet zu verbünden und starke Netzwerke zu pflegen. Die KulturRegion ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie wir kulturelle Angebote in der ganzen Rhein-Main-Region hervorragend präsentieren können. So stellen wir zum Beispiel in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Museen & Sonderausstellungen 2025“ das Umwelt- und Nachbarschaftshaus in Kelsterbach einem breiten Publikum vor. Dadurch gelingt es uns, neben dem Dialog über den Flughafen ein wirklich anschauliches Ausstellungsportfolio zu vermitteln. Darüber hinaus machen wir einen spannenden Ort der Industriegeschichte, das ehemalige ENKA-Industriegelände, bekannt, indem wir es in das Projekt „Route der Industriekultur“ einbringen.
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