Die 35. Station unserer Reise zu besonderen Orten und Persönlichkeiten in der KulturRegion führt uns an eine besondere Kulturstätte in Friedberg (Hessen). Hier wurde vergangenen Herbst das Theater Altes Hallenbad (AHA) nach langer Sanierungsarbeit feierlich wiedereröffnet. Das ehemalige Jugendstilbad wurde 1909 durch die Friedberger Bürgerschaft ins Leben gerufen und zunächst vorwiegend als Reinigungsbad, aber auch als Sportbad bis 1980 betrieben. Im Anschluss stand das Gebäude bis 2009 leer. Wieder waren es Friedberger Bürger*innen, die den Verein Theater Altes Hallenbad gegründet und den Ort mit der Maßgabe, ihn zu einem Kulturzentrum umzubauen, übernommen haben. In insgesamt fünf Bauabschnitten wurde das Haus bei laufendem Betrieb saniert. Gemeinsam mit Friedbergs Bürgermeister, Kjetil Dahlhaus, Dr. Wolfgang Sinn, Zweiter Vorsitzender des Vereins Theater Altes Hallenbad, und Alexa Busse, Verantwortliche für Kindertheater im AHA, lassen wir uns von der besonderen Atmosphäre im ehemaligen Schwimmbad verzaubern.
Am 6. März 2025 wird hier das Internationale Theaterfestival für junges Publikum „Starke Stücke“ mit der Zirkusperformance „Dies ist keine Übung – Ceci n’est pas un excercice“ der französischen Kompanie Collectif PourquoiPas eröffnet.
Das Festival findet auf verschiedenen Bühnen in der Rhein-Main-Region statt.
Das komplette Programm des Theater Altes Hallenbad gibt es unter www.aha-friedberg.de.
© Fotos: KulturRegion, Alexander Paul Englert; Redaktion: Kristina Maurer
Lieber Herr Dr. Sinn, was macht das Theater Altes Hallenbad (AHA) so besonders?
Die erste Besonderheit ist, dass das AHA ausschließlich ehrenamtlich von Friedberger Bürger*innen betrieben wird. Wie schon vor 100 Jahren bei der Entstehung des Hallenbads hat sich die Bürgerschaft nun für ein Kulturzentrum eingesetzt. Eine zweite Besonderheit ist die Atmosphäre des Hauses. Bei der Renovierung wurden viele Jugendstil-Elemente, die in den 50er-Jahren verloren gegangen sind, wiederhergestellt, und dennoch ist ein kleiner Anstrich von Lost Place geblieben.
Was unser Programm angeht, haben wir drei Standbeine. Zum einen machen wir unsere eigenen Produktionen wie eine Kammeroper, bei der Laien und Professionelle zusammenspielen. Zum zweiten nehmen wir Künstler*innen unter Vertrag. Unser buntes Programm wird von den ehrenamtlichen Akteur*innen in einer Kultur AG zusammengestellt, die gemeinsam über die Auswahl der Künstler*innen entscheiden. Es gibt unter anderem Kleinkunst, Weltmusik und (Kinder-) Theater, Jazz und Kammermusik. Ein Highlight sind alle zwei Jahre die Internationalen Gitarrentage. Klassische Gitarrenkonzerte gibt es nicht oft. Damit können wir unser Profil schärfen und im Rahmen unserer Möglichkeiten besondere künstlerische Positionen zeigen. Wir als Sozio-Kulturelles Zentrum sind aber auch ein Zuhause für viele Friedberger Vereine, die hier ihre Veranstaltungen abhalten. Diese Gastveranstaltungen lokaler Vereine komplettieren unser Programm, unser drittes Standbein. Und mit Vermietungen für private Feiern oder Firmen-Events verdienen wir etwas Geld.
Liebe Frau Busse, warum ist Friedberg beim „Starke Stücke“-Festival mit dabei?
Ich bin seit Beginn des Festivals „Starke Stücke“ im Kreis der Veranstalter*innen mit dabei, damals jedoch noch in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Stadt Frankfurt. Als ich nach Friedberg zog, hat mich das Alte Hallenbad mit seinem morbiden Charme und den vielen ehrenamtlich tätigen Menschen beeindruckt, und ich habe beschlossen, Theater für junges Publikum hier zu organisieren und auf die Bühne zu bringen. Das erste Stück, das wir im AHA für Kinder zeigten, wurde dann auch im Rahmen des „Starke Stücke“-Festivals aufgeführt. Dies ist bis heute einmal im Jahr ein Highlight mit einem insgesamt besonderen Programm. Durch die Vernetzung der verschiedenen Veranstalter*innen aus der Region, haben wir die Möglichkeit Gruppen einzuladen, die wir, aufgrund hoher Gagen, im „Normalbetrieb“ nicht einladen könnten. Dadurch, dass die Kompanien während des Festivals an mehreren Orten in der Region spielen, wird die Gage für uns bezahlbarer.
Was können Kinder während des Festivals hier erleben?
Für die Kinder ist der Besuch des Theaters ein ganz besonderes Erlebnis. Viele schauen hier zum ersten Mal ein Theaterstück und kommen gerne wieder. Gerade junge Menschen bringen sehr stark zum Ausdruck, wie begeistert sie von einem Stück sind.
Wir freuen uns, dieses Jahr mit dem Stück „Dies ist keine Übung – Ceci n’est pas un excercice“, eine Zirkusperformance der französischen Kompanie Collectif PourquoiPas, das Festival hier in Friedberg eröffnen zu können und dadurch auch das Alte Hallenbad als soziokulturelles Zentrum bekannter zu machen. Wir zeigen im Rahmen von „Starke Stücke“ Produktionen, die vielleicht etwas ungewöhnlich sind und befremden können. Da gilt es, eine gute Balance zu finden: vertraue ich auf „Gewohntes“, oder fordere ich heraus und wage „Ungewohntes“. Aber meine Erfahrung aus Frankfurt ist, dass sowohl Vertrautes als auch Experimentelles beim Publikum auf Resonanz stößt. Und das passiert, wenn auch in einem längeren Prozess, auch hier in Friedberg.
Lieber Bürgermeister Dahlhaus, die Stadt Friedberg ist seit 2005 Mitglied in der KulturRegion und trägt damit zur Vielfalt der Kulturlandschaft in der Rhein-Main-Region bei. Was bedeutet die Mitgliedschaft für Sie?
Die KulturRegion bietet unter anderem die Möglichkeit, unsere Veranstaltungen in Friedberg in den überregionalen Broschüren zu bewerben. Dadurch können wir unsere Reichweite und Präsenz erhöhen und die besonderen Dinge, die wir zu bieten haben, im Rhein-Main-Gebiet bekannt machen. Zum Beispiel wird im Magazin Museen & Sonderausstellungen 2025 neben dem Wettermuseum auch unsere Mikwe (jüdisches Ritualbad) vorgestellt. Sie wurde 1260 gebaut und ist mit 25 Meter Tiefe europaweit eine der besterhaltenen Mikwen. Oder bei den Tagen der Industriekultur hatten wir im vergangenen Jahr zwei tolle Veranstaltungen, bei denen wir einerseits das Rosenthal-Viadukt Friedberg vorstellen konnten, ein wirklich beachtliches Baudenkmal der Main-Weser-Bahn, und andererseits die ehemalige Thermometerfabrik alro-plast, die das Badethermometer in Fischform in Friedberg hergestellt und weltweit vermarktet hat. Daher hat die KulturRegion wirklich tolle Aspekte von uns gezeigt, denn jede kulturelle Veranstaltung, die diese bedeutenden Bauwerke und Industriezeugnisse in ein positives Licht rückt, untermauert, dass es sich lohnt, sie zu erhalten und wieder zu nutzen. Zudem haben wir mit der KulturRegion eine kompetente Ansprechpartnerin für spezielle Fragen, können vom Erfahrungsaustausch in dem Netzwerk profitieren und so konkrete Kooperationen entwickeln, die dabei helfen, diese Orte zu erhalten.
© 2025 KulturRegion FrankfurtRheinMain gGmbH