Gedenktafel Georg Büchner, ehemaliges Wohnhaus Grafenstraße, Darmstadt

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„Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ – der Schriftsteller Georg Büchner, Autor dieser berühmten Zeilen, erlebte in seinem Wohnhaus in der Darmstädter Grafenstraße 39 keinen Frieden – jedenfalls nicht im Jahr 1835. Tagtäglich plagten ihn Fluchtgedanken, denn er musste wegen seiner politischen Einstellung mit Verhaftung rechnen. Georg Büchner hatte zusammen mit Friedrich Ludwig Weidig im Jahre 1834 die berühmte Flugschrift „Der hessische Landbote“ veröffentlicht. Beide kritisierten darin die Missstände der damaligen Gesellschaft und die Politik der hessischen Regierung. Die Autoren wurden verfolgt. Es kam zu unzähligen Festnahmen, da die Obrigkeit Angst vor einem Umsturz hatte. Anfang 1835 war dem Dichter klar, dass er früher oder später festgenommen werden würde. Über Wochen lehnte eine Leiter an der Mauer hinter dem Haus, damit er im Ernstfall rasch entkommen konnte. In der Zeit bangen Wartens schrieb Büchner hier sein wohl bekanntestes Drama „Dantons Tod“, bevor er Anfang März 1835 die Flucht ergriff.

Wenn man heute an diesen Ort kommt, nimmt man ihn kaum wahr. Das ursprüngliche Haus, das Familie Büchner seit 1825 bewohnte, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Heute befinden sich in der Straße Cafés und Geschäfte in schmucklosen Gebäuden aus der Nachkriegszeit.  Als Laie ahnt man die Bedeutung dieses Ortes kaum. Heute erinnert nur noch eine Inschrift an der Mauer, an der die Leiter stand, an die geplante Flucht. Völlig versteckt liegt diese in einem Hinterhof mit Parkplatz. Zudem ist die Inschrift von Blättern überwuchert und schwer zu erkennen. Eine weitere Gedenktafel an der Straßenseite über der Durchfahrt fällt ebenfalls kaum auf. Beide Tafeln wurden am 26. August 1997 vom Kulturamt Darmstadt angebracht und vom Oberbürgermeister Peter Benz eingeweiht. Dennoch: Der Erinnerungsort für Büchners Verfolgung ist nahezu unsichtbar.

Die Mauer ist ein sprechendes Symbol dafür, dass im 19. Jahrhundert ein Leben in Meinungsfreiheit, wie es die Menschen in Deutschland heute gewohnt sind, nicht vorzustellen war. Zensoren bestimmten den Alltag der Bevölkerung und schränkten vor allem kritische Schriftsteller wie Büchner enorm ein. Heute erinnern weitere Orte in der Rhein-Main-Region an Leben und Wirken Büchners. Sein Geburtshaus in Goddelau ist noch erhalten. Der Georg-Büchner-Platz am Staatstheater in Darmstadt erinnert an die Bedeutung des Dramatikers für das deutschsprachige Theater.

Weiterführende Informationen

Hintergrund zu Georg Büchner, Wohnhaus Grafenstraße

Dieser Beitrag ist Teil des Studierendenprojektes „Orte der Meinungsfreiheit“ 2017-2019

Texte und Abbildungen: Melanie Holz

Orte der Meinungsfreiheit
#Orte_der_Meinungsfreiheit

Grafenstraße 39
64283 Darmstadt