Lokaler Routenführer Bischofsheim

Den Schatz an lebendigen Zeugnissen des produzierenden Gewerbes samt dazugehöriger Infrastruktur zu bergen, wieder ins Bewusstsein zu bringen und zugänglich zu machen, ist Ziel der Route der Industriekultur Rhein-Main. Sie führt zu wichtigen industriekulturellen Orten im gesamten Rhein-Main-Gebiet und befasst sich mit Themen wirtschaftlicher, sozialer, technischer, architektonischer und städtebaulicher Entwicklung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Foto: Wikimedia

Industriegeschichte in Bischofsheim

Die Industriegeschichte der „Eisenbahnergemeinde” Bischofsheim ist vor allem Eisenbahngeschichte. Der Bau der Rhein-Main-Bahn der Hessischen Ludwigs-Eisenbahn (1858, Aschaffenburg - Darmstadt - Mainz) und der Mainbahn (1862, Frankfurt - Mainz) mit der Mainzer Südbrücke verwandelte Bischofsheim mit seinen 1.000 Einwohnern in wenigen Jahrzehnten vom Bauern- zum Arbeiterdorf und zur neuen Heimat von Familien aus allen Teilen Deutschlands. Mit dem Bau der Kaiserbrücke in Mainz und der Hochheimer Eisenbahnbrücke sowie der Errichtung der Umgehungsbahn Mombach - Bischofsheim wurde der Bischofsheimer Bahnhof im Jahre 1900-1904 zu einem bedeutenden Güter- und Verschiebebahnhof ausgebaut und war kurze Zeit der zweitgrößte Güterbahnhof südlich der Mainlinie.Bei der Eisenbahn und in den benachbarten Industriezentren Opel in Rüsselheim und MAN in Gustavsburg sowie im wachsenden einheimischen Gewerbe entstanden begehrte Arbeitsplätze, und Bischofsheim wurde zu einem verkehrsgünstigen Wohn- und Arbeitsort. Heute bietet die „Eisenbahnlandschaft Bischofsheim” ein einzigartiges und fast komplett erhaltenes Eisenbahn-Ensemble. Der Routenführer will die industriekulturellen Objekte dokumentieren und ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit rücken.

Foto: Stadt Bischofsheim

Neuer Bahnhof

Der sogenannte neue Bahnhof wurde 1900 im Zuge des Streckenausbaus rund um Mainz errichtet. Der Zugang für Reisende befindet sich im Obergeschoss, das über eine aufgeschüttete Plattform erreicht wird und von wo aus man über einen Steg die Bahnsteige erreichen kann. Das aus massivem Mauerwerk errichtete Gebäude ist in zeittypischen Heimatstil mit Anklängen an Fachwerk gestaltet. 2002 wurde es nach Plänen von G. Heidacker runderneuert und mit barrierefreien Zugängen zu den Zügen versehen. Vor dem Eingang wurde eine „Eisenbahn-Skulptur” von Ludwig Gützkow aufgestellt.

Foto: Stadt Bischofsheim

Wasserturm

Der Wasserturm in der Nähe des alten Empfangsgebäudes wurde 1912 zur Versorgung der Lokomotiven mit Wasser errichtet. Der runde Schaft des Turmes besteht aus verputztem Ziegelmauerwerk, der Erdgeschossbereich wurde mit rotem Sandstein verkleidet. Der 160 cbm fassende, offene einkammerige Barkhausenbehälter ist mit einer zehneckigen Holzkonstruktion mit Schieferverkleidung und abgetrepptem Dach verkleidet. Seit Ende des Dampflokbetriebes im Jahre 1964 ist der 19 m hohe Wasserturm ohne Funktion.

Foto: Stadt Bischofsheim

Fußgängersteg

Der ca. 110 m lange Fußgängersteg über die Gleisanlage entstand 1900 im Zusammenhang mit der Erweiterung des Rangierbahnhofs und der Verlegung des Personenbahnhofs. Er diente u. a. dem Zugang der Eisenbahner zu den Güterzügen am Westende des Güterbahnhofs sowie der Viehbehandlungsanlage, welche zwischen den Gleisen angeordnet war. Die genietete dreifeldrige Stahlfachwerk-Kastenbrücke ist an den Enden über je eine einläufige Podesttreppe erreichbar. 1956 wurde der Steg wegen der Elektrifizierung um ca. 1,50 m angehoben. Später wurde er durch eine neuere Stahlbetonbrücke über die B 43 zur Dr.-Hans-Böckler-Siedlung hin verlängert.

Foto: Stadt Bischofsheim

Alter Bahnhof

Das dreigeschossige massiv gemauerte Gebäude wurde 1862 zur Eröffnung der Ludwigsbahn errichtet. Es stellt mit seiner ruhigen, klassischen, fünfachsigen Architektur ein typisches Bahnhofsgebäude des 19. Jahrhunderts dar. Die Laibungen der Rundbogenfenster und -türen im Erdgeschoss bestehen, wie die der hochrechteckigen Fenster im Obergeschoss und die umlaufenden Fensterbankgesimse, aus rotem Sandstein. Später wurden nordwestlich und südöstlich eingeschossige Anbauten angefügt. Seit Inbetriebnahme des neuen Empfangsgebäudes diente der alte Bahnhof als Wohn- und Verwaltungsgebäude.

Güterschuppen

Auf der ehemaligen Viehverladerampe aus massivem Sandsteinmauerwerk wurde 1935 ein rechteckiger, geradezu elegant erscheinender Güterschuppen errichtet. Die Fassaden aus rotem Ziegelmauerwerk wurden flächig und glatt durch gesimsbandähnliche Mauerverbandswechsel strukturiert. Das weit auskragende flache Walmdach ruht auf Stahlbetonbindern. Der Lagerraum verfügt über fünf eiserne Schiebetüren und wird unter anderem auch durch ein Oberlicht belichtet.

Foto: Stadt Bischofsheim

Lehrstellwerk

Das abseits vom Bahnkörper gelegene Gebäude ähnelt den früheren Stellwerken im Darmstädter Hauptbahnhof, so dass es wahrscheinlich zur selben Zeit, um 1912 entstanden sein wird. Da am Standort keine Gleisanlagen zu überwachen waren, hat es wohl als Lehrstellwerk der Ausbildung von Stellwerkspersonal gedient. Über dem massiv gemauerten Erdgeschoss aus rotem Sandstein befindet sich der achteckige Stellwerksraum als Holzfachwerkkonstruktion mit Bretterschalung. Das Gebäude wird von einem schiefergedeckten Walmdach geschlossen.

Foto: Stadt Bischofsheim

Lokwerkstatt

Der nördliche zweigleisige Teil der heute siebengleisigen Lokwerkstatt entstand 1868 als Lokomotivhalle. Das langgestreckte massiv gemauerte Gebäude ist mit rötlichem Sandstein verkleidet, die Tore der giebelseitigen Gleiseinfahrten waren ebenso rundbogig wie die Fenster der Längswände, welche durch Lisenen gegliedert werden. 1880 wurde, in gleicher Weise gestaltet, der ebenfalls zweigleisige südliche Teil und ein dazwischen liegender Büro- und Werkstatt-Trakt errichtet. Vom ursprünglichen Lokschuppen sind heute nur noch Teile der Außenwände erhalten. Die Bahntochter Railion benutzt heutzutage die Werkstatt wie auch das umliegende Gelände zur Pflege und Reparatur von Güterwagen und Lokomotiven.

Foto: Stadt Bischofsheim

Ringlokschuppen und Drehscheibe

Der Ringlokschuppen mit 20 m Drehscheibe stammt aus der Zeit der Bahnhofserweiterungen ab 1902. Die Umfassungswände des Gebäudes sind aus massivem rotem Sandstein gemauert und bemerkenswert gestaltet. Je zwei Rundbogenfenster sind mit Rundbögen zusammengefasst. Auf der Innenseite ruhen die Dachbinder auf Stahlprofilstützen. Die genieteten Stahltore sind teilweise durch Mauerwerk ersetzt. Nach Ende der Dampflokunterhaltung wurde 1963 die Halle über zehn der ursprünglich 23 Lokomotivständen abgerissen und die Giebelfläche durch eine Stahlfachwerkwand mit Ziegelmauerwerk verschlossen. Der Ringlokschuppen ist einer der letzten erhaltenen seiner Art im Rhein Main Gebiet und steht weitestgehend leer.

Foto: Stadt Bischofsheim

Transformatorenhaus

Das Trafohaus wurde 1926 aus massivem Ziegelmauerwerk errichtet. Die Fassade zum Hof ist durch Zickzackbänder, auf der Spitze stehenden Quadratfenstern und drei in Kunststein gefassten Leuchtkörpern verziert. Bis in Höhe des Sturzes der drei Eisendoppeltore sind die Längsmauern über die Flucht der Schmalseiten hinausgeführt. Auf der Straßenseite springen diese Flügelmauern vor die Wandfläche, im Bereich der vierhochrechteckigen Fenster ist die Oberkante des Vorsprungs abgesenkt. Über einen kräftigen Konsolgesims schließt ein flaches Dach das Gebäude ab. Auch dieses Gebäude steht leer und harrt einer neuen Nutzung.

Foto: Stadt Bischofsheim

Siedlung „Jerusalem“

Die 1927/28 nach Plänen des Bahnarchitekten Hans Kleinschmidt errichtete Wohnanlage besteht aus Geschosswohnungen in den Flankierungsbauten um einen Innenhof am alten Gerauer Weg und im Mittelbau, welcher von der Franz-Schubert-Straße erschlossen wird. Im Erdgeschoss des Mittelbaues befinden sich gemeinschaftlich genutzte Wasch- und Trockenräume. Entlang des alten Gerauer Wegs schließen sich Flügelbauten mit Maisonette-Wohnungen an. Die Gebäude aus massiven Ziegelstein-Sichtmauerwerk sind durch Fensterbänder mit vorspringenden Ziegelreihen und Kunststeineinfassungen horizontal gegliedert. Flache Walmdächer schließen die Gebäude ab. Die bemerkenswerte, an expressionistische Architektur angelehnte äußere Gestaltung der kleinen Siedlung verblüffte seinerzeit die Bewohner und rief Assoziationen zum Vorderen Orient hervor, was ihr den Namen Klein Jerusalem einbrachte.

Interaktive Karte der KulturRegion

Adressangaben und weitere Information zu den Orten

Interaktive Karte zum lokalen Routenführer Bischofsheim

Bilder zu Lokaler Routenführer Bischofsheim