Lokaler Routenführer Bad Nauheim
Den Schatz an lebendigen Zeugnissen des produzierenden Gewerbes samt dazugehöriger Infrastruktur zu bergen, wieder ins Bewusstsein zu bringen und zugänglich zu machen, ist Ziel der Route der Industriekultur Rhein-Main. Sie führt zu wichtigen industriekulturellen Orten im gesamten Rhein-Main-Gebiet und befasst sich mit Themen wirtschaftlicher, sozialer, technischer, architektonischer und städtebaulicher Entwicklung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Texte: Natalie Buch, Brigitte Faatz, Heino Ganß, Manfred Gründer, Peter Müller, Dr. Peter Schirmbeck, Christina Uslular-Thiele, Prof. DW Dreysse
Letzte Redaktion: Bad Nauheim Stadtmarketing und Tourismus GmbH
Stand 2016

Industriegeschichte in Bad Nauheim
Dort, wo heute die Stadt Bad Nauheim liegt, produzierten die Kelten schon im 5. Jahrhundert vor Christus Salz. Im Mittelalter begann dann die Entwicklungsgeschichte des Örtchens Nauheim vom Söderdorf zum Herzheilbad. Der geringe Salzgehalt der Nauheimer Sole von knapp 3 Prozent erforderte einen langen Siedeprozess und entsprechend hohen Holzverbrauch. Trotzdem wurde die Salzproduktion ab dem 16. Jahrhundert intensiver, was die wirtschaftliche Bedeutung des „weißen Goldes“ zur damaligen Zeit zeigt. Im Jahr 1716 führte Salzmeister Joseph Todesco neue Gradiermethoden ein, die den Ertrag der Saline enorm steigerten. 20 Jahre später übernahm der General-Salinen-Direktor Jacob Sigismund Waitz von Eschen die Leitung der Nauheimer Saline und baute sie zu einer der größten mit schwachprozentiger Sole aus. Die Jahresproduktion, die im 17. Jahrhundert noch bei 500 Tonnen Salz lag, erreichte 1780 ca. 5.000 Tonnen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor die Saline Absatzmärkte und erhielt Konkurrenz durch die Einführung des qualitativ besseren Steinsalzes. Doch gerade zu dieser Zeit wurde die heilende Wirkung der Bad Nauheimer Quellsole entdeckt. Wohltuende Bäder wurden zunächst nur Salinenmitarbeitern zur Linderung rheumatischer Leiden verabreicht. 1835 wurde die allgemein zugängliche „Soolbad-Anstalt zu Nauheim“ offiziell eröffnet. Nachdem sich im Dezember 1846 der „Große Sprudel“, bis heute das Wahrzeichen Bad Nauheims, seinen Weg an die Erdoberfläche gebahnt hatte, wurden um diesen herum neue Bade- und Kuranlagen errichtet. Im Jahr 1869 erhielt die Stadt Nauheim den Zusatz „Bad“. Medizinische Forschungen brachten im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die vielfältigen Anwendungs-möglichkeiten von Badekuren mit Heilwasser zutage: Der Aufstieg zum international anerkannten Herzheilbad begann. Unter der Leitung des jungen Darmstädter Architekten Wilhelm Jost kam es zur einheitlichen Gestaltung der Bade-, Kur- und Wirtschaftsanlagen. Damit entstand das größte geschlossene Jugendstilensemble Europas und eine der modernsten Industrieanlagen ihrer Zeit. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebte Bad Nauheim seinen Höhepunkt als Weltbad und Treffpunkt des inter-nationalen Adels. 1912 verzeichnete die Stadt knapp 40.000 Kurgäste. Nach wie vor ist Bad Nauheim heute eine renommierte Gesundheitsstadt, die sich mit hochmodernen Kliniken, bekannten Ärzten und leistungsfähigen Weiterbildungseinrichtungen zum medizinischen Spitzenstandort entwickelt hat.

Bahnhof Bad Nauheim
In Fortführung der Zentralachse des Sprudelhofes nach Osten befindet sich das Bahnhofsgebäude, das ursprünglich 1853 erbaut wurde. Zwischen 1910 und 1912 wurde es von Grund auf erneuert und erweitert. Geprägt ist das Bauwerk seitdem von historisierenden Architekturformen wie dem zentralen Segmentbogen über Bahnhofsuhr und Hauptportal. Elemente des Jugendstils treten dekorativ hinzu. An das Mittelrisalit, dessen Eingangsfront große Fenster erhielt, schließen sich zwei Seitenflügel an: der südliche mit Wartesälen und Restaurant, der nördliche mit Lager und Diensträumen. Hier war unter anderem die Bahnspedition untergebracht, die sich um Annahme und Weitertransport von Gepäckstücken kümmerte.

Fürsten-Pavillon Bad Nauheim
Eine architektonische und kulturgeschichtliche Besonderheit aus der Kaiserzeit stellt der dem Bahnhofs-Ensemble zugehörige „Fürsten-Pavillon“ dar. Das heute denkmalgeschützte Gebäude wurde 1913 in Bad Nauheim eingerichtet. Es diente ursprünglich als Empfangsgebäude für herrschaftliche Gäste in Bad Nauheim, die mit dem Zug anreisten.

Museums-Eisenbahn
Seit 1974 nutzt der Verein Eisenbahnfreunde Wetterau e. V. die Strecke Bad Nauheim /Münzenberg für historische Fahrten. Von seinem Standort im östlichen Gleisfeldbereich des Bahnhofs aus betreibt er mindestens einmal pro Woche Fahrten im Güter- und Personenverkehr sowie zu besonderen Anlässen wie dem Steinfurther Rosenfest oder Neujahr. Zum Sammlungsbestand gehören unter anderem eine Henschel-Dampflokomotive von 1904, ein Personenwagen von 1929 und eine Diesel-Lok von 1942. Das Vereinsheim „Lokschuppen“ und die Fahrzeughalle stehen Besuchern zur Besichtigung offen.

Kraftwerk – Kesselhaus
Der florierende Kurbetrieb in Bad Nauheim machte zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Bau eines neuen, leistungsfähigen Kraftwerks notwendig. 1906 wurde daher eine Anlage errichtet, die heute zu den eindrucksvollsten Kraftwerksbauten Deutschlands im Jugendstil gehört. Architektonische Formgebung und technische Funktion des Kesselhauses waren aufeinander abgestimmt: Der Dampferzeugung im Inneren entsprachen die rachenförmig gestalteten Jugendstil-Dachreiter, durch die Wasserdampf ins Freie gelangte. Die Bedeutung des Kraftwerks wird durch seine Zugehörigkeit zu einem Ensemble bestehend aus Kesselhaus, Turbinenhalle, Dampfwäscherei und Saline gesteigert. Direkt am Bahnhof gelegen, waren die technischen Bauten am Goldstein so platziert, dass sie Reisenden sofort ins Auge fi elen. Für eine Badestadt war das damals eher ungewöhnlich, doch Architekt Wilhelm Jost wollte anhand der Technik das Bild eines modernen, fortschrittlichen Kurortes vermitteln. Heute betreibt E.ON in diesem Gebäudekomplex ein Heizkraftwerk. Ein Dampf- und Kondensatnetz liefert die Wärme zu den Endkunden der Region.

Kraftwerk – Turbinenhalle
Noch heute sind die originellen „Eiszapfen“ in blauglasierten Ziegeln an der nördlichen Außenwand der Turbinenhalle erhalten. Sie deuten auf die ehemalige Eisfabrik als Bestandteil der Kraftwerksanlage hin. Die Turbinenhalle schließt sich östlich direkt an das Kesselhaus an. Leider wurden Turbinen und Generatoren zur Stromerzeugung aus der weitläufigen Halle entfernt. Die eindrucksvolle Schaltzentrale an der Südwand lässt jedoch noch immer erahnen, welch enormer technischer Aufwand hier seinerzeit betrieben wurde.

Dampfwäscherei
In den Jahren unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebte Bad Nauheim einen Höhepunkt seiner Entwicklung. 1912 verabreichte man während der Saison über 3.000 Bäder pro Tag. Da jeder Kurgast zum Bad vier Handtücher erhielt, fielen täglich enorme Mengen Wäsche an. Aus diesem Grund war im Jahr 1908 eine moderne Dampfwäscherei für den Badebetrieb im benachbarten Sprudelhof erbaut worden. Sie bildet mit dem Kraftwerk im Norden und der Saline im Süden den Mittelbau des U-förmigen Ensembles am Goldstein. Das Gebäude ist geprägt von hohen, gefliesten Räumen. Im Erdgeschoss befand sich der Waschsaal, das Obergeschoß beherbergte den Mangelraum. Während dunkler Basalt-Lava-Stein am Kraftwerk treffend auf dessen Feuerkraft verweist, wurde die Dampfwäscherei in Anlehnung an ihre reinigende Funktion in weiß gehalten. Heute wird das Gebäude durch die Evangelische Familienbildungsstätte genutzt.

Historische Werkstatt
Um möglichst viel Material und Zubehör für Kesselhaus und Badebetrieb selbst herstellen zu können, war dem Kraftwerksensemble auch eine Werkstatt für technische Arbeitsbereiche angeschlossen. Dazu gehörten unter anderem Schreinerei, Weißbinderei und Tiefbau. Ausgestattet war die Werkstatt mit den typischen Maschinen und Werkzeugen aus der Zeit der Jahrhundertwende, in der die Geräte über Transmissionen bewegt wurden. Noch heute stehen hier drei original erhaltene, von Keilriemen betriebene Drehbänke.

Salinengebäude
Die mittelalterliche Saline wurde ab dem 16. Jahrhundert industriell ausgebaut und hat im Laufe der Zeit viele einzelne Siedehäuser entlang der Usa hervorgebracht. Diese wurden 1910 durch einen modernen Neubau ersetzt, der nun erstmals alle Arbeitsvorgänge der Salzgewinnung unter einem Dach vereinigte. Rückgrat der Anlage ist eine lange Speicherhalle mit Mansard-Giebeldach. Nach Westen sind der Halle vier Querbauten vorgelagert, in denen sich die Siedepfannen befanden. Mit diesem Gebäude-Komplex verfügte Bad Nauheim über eine Saline auf dem damals höchstmöglichen technischen Stand. Im Rahmen der 4. Hessischen Landesgartenschau 2010 wurden die Salinen-Gebäude als Ausstellungshaus und Künstler-Atelier genutzt.

Schreinerei
Am Rande des Lagerplatzes östlich der Saline liegt die alte Schreinerei. Über deren Werkstatträumen im Erdgeschoss befand sich ein Speicher als Holzlager. Bemerkenswert ist die Dachkonstruktion, die nach dem Prinzip des Ingenieurs Friedrich Zollinger errichtet wurde. Ein leicht spitzbogenförmiges Tonnendach, welches, materialsparsam und kostengünstig, aus einem einzigen, identischen Holzbretttyp von etwa 2 m Länge in Kassettenform gefügt ist. Das Zollingerdach existiert heute bundesweit nur noch in wenigen Exemplaren. Inzwischen wird das Gebäude als Wohnraum genutzt, wobei besonderer Wert auf den Erhalt des Daches gelegt.

Wasserturm Bad Nauheim
Das Gelände am Goldstein diente seit 1781 als Fläche zum Anbau von Schwarzdorn. Die dornigen Äste dieses Strauches wurden zur Gradierung, also Steigerung des Salzgehaltes, verwendet. Durch den Rückgang der Salzproduktion und den Rückbau von ehemals 23 Gradierbauten lag das Gebiet schließlich brach. Als durch die zunehmende Zahl von Kurgästen der Wasserverbrauch in der Stadt stieg, errichtete man 1907 auf dem Hügel Goldstein ein neues Wasserwerk. Gespeist wurde das Werk aus einem Brunnen im Vogelsberg. Der profane Versorgungszweck des Wasserwerks wurde durch einen wehrhaft anmutenden Aussichtsturm 1909 „überhöht“. Die ihn umgebende parkähnliche Anlage sollte Kurgäste zum Verweilen einladen. Als einer von zwei Geländeteilen der 4. Hessischen Landesgartenschau 2010 wurde der Goldstein komplett umgestaltet und neu bepflanzt, sodass heute ein reizender Bürgerpark den Aussichtsturm umgibt.

Unterirdischer Versorgungsgang
Da das Kraftwerk am Goldstein die Badehäuser im Sprudelhof mit großen Mengen an Wärme und Licht versorgen musste, galt es eine Strecke von 400 m zu überbrücken. Um das Stadtbild nicht zu gefährden, schuf Baurat Dr. Karl Eser einen unterirdischen Versorgungsgang mit Dampf- und Stromleitungen. Die Ausrichtung des begehbaren Fernheizkanals unter der Erde entsprach exakt der oberirdisch darüber liegenden Zentralachse aus Sprudelhof, Bahnhof und Kraftwerks-Areal. Abzweigungen im Keller des Sprudelhofes versorgten zudem die großen Hotels in der Nähe mit Wasserdampf.

Sprudelkammer
Die Nacht vom 21. auf den 22. Dezember 1846 ging als „Weihnachtswunder“ in die Geschichte Nauheims ein. In Folge eines leichten Erdbebens brach schäumend ein mächtiger Solestrom aus der Erde hervor. Dieser „Große Sprudel“ wurde zum Wahrzeichen der Stadt. 1855 folgte durch Bohrungen ein zweiter Sprudel, 1899/1900 ein Dritter. Die beiden Hauptquellen bilden das Zentrum des eindrucksvollen Sprudelhofes, der Anfang des 20. Jahrhunderts im Jugendstil errichtet wurde. Dabei erhielten die Quellen eine monumentale Neufassung mit Motiven aus der Wasser- und Fabelwelt. Unterhalb des Beckens befindet sich eine Sprudelkammer, in der die technischen Anlagen der unterirdischen Soleleitungen für die Badehäuser untergebracht sind.

Unterirdische Vorratsbehälter
Da zur Hauptsaison im Sprudelhof mehrere tausend Bäder täglich verabreicht wurden, benötigte der Badebetrieb einen großen Vorrat an Thermalwasser. Im Bereich der Jugendstilbauten des Sprudelhofes wurden daher vier Wasservorratsbehälter installiert. Manche der eisernen Kessel sind bis zu 10 Meter lang und haben einen Durchmesser von 3 bis 3,50 Metern.

Waitz’scher Turm
Die Leitung der Saline übernahm 1736 Jacob Sigismund Waitz von Eschen, General-Salinen-Direktor von Hessen-Kassel. Er baute die umfangreichen Anlagen zu einer der größten und modernsten Salinen mit schwachprozentiger Sole aus. Die Zahl der Gradierbauten stieg auf 23 mit einer Gesamtlänge von 3.700 Metern. Um die Sole auf die Gradierbauten zu pumpen, machte man sich die Kräfte der Natur zunutze. Zwischen 1742 und 1745 ließ Waitz von Eschen zwei Windmühlen nach holländischem Vorbild bauen, von denen heute noch die Türme erhalten sind. Einer davon steht am Usa-Ufer in der Nähe der Therme am Park und wird zur Erinnerung an den namhaften Konstrukteur „Waitz’scher Turm“ genannt.

Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung/ w.g. Kerckhoff-Institut
Seit seiner Eröffnung im Jahr 1931 wird im William G. Kerckhoff-Institut, heute Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung (Stiftstraße), klinisch orientierte Forschung sowie Grundlagenforschung auf internationalem Niveau durchgeführt. Während die Laboratorien an die Anforderungen moderner Forschung angepasst wurden und zusammen mit dem 2010 eröffneten neuen Laborgebäude Heimat für Wissenschaftler aus aller Welt sind, weisen die repräsentativen Bereiche des ehrwürdigen Kerckhoff-Institut-Gebäudes wie Bibliothek und Ehrenhalle eine hohe Authentizität auf.

Kerckhoff Campus
Der Herz-, Lungen- und Gefäßcampus stellt ein deutschlandweit einmaliges medizinisches Zentrum dar. Auf dem Campus steht die Kerckhoff-Klinik als Herz-, Lungen-, Gefäß- und Rheumazentrum sowie als Transplantations- und Rehabilitationszentrum. Die GZW Diabetes-Klinik Bad Nauheim ist das Fachkrankenhaus für Diabetes und diabetische Folgeerkrankungen. Die Spezialkliniken kooperieren eng mit dem Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung zum Wohle der Patienten, die so auch bei multiplen Krankheitsbildern optimal betreut werden können.

Solgraben und Wasserreservoir
Teils unterirdisch, teils über der Erde verläuft noch heute der sogenannte Solgraben. Er brachte das Solewasser vom nördlich gelegenen Sprudelhof bis zum Wasserreservoir in der Nähe der Gradierbauten. Der offene Fließvorgang war die erste Stufe der Gradierung, denn der Kontakt mit Sauerstoff sorgte dafür, dass verschiedene mineralische Bestandteile sich am Boden absetzten. Daher auch die charakteristische rötliche Verfärbung. Der 800 Meter lange Graben und das Sammelbecken mit einem Durchmesser von 44 Metern entstanden in den Jahren 1844 bis 1846.

Gradierbau III mit Wasserrad und Pumpwerk
Neben Windkraft nutzte die Saline unter Salinenleiter Waitz von Eschen auch Wasserkraft zur Gradierung der Sole. Von ehemals acht Wasserrädern, die übers gesamte Stadtgebiet verteilt waren, sind heute noch zwei erhalten. Das Wasserrad an der Schwalheimer Straße wurde seinerzeit über ein weiträumiges System von Kunstgräben aus verschiedenen Staubecken gespeist. Die Wasserkraft setzte zwei Exzenter in Bewegung, die wiederum Pumpen aktivierten, von denen das Salzwasser auf den benachbarten Gradierbau befördert wurde. Heute wird das Rad zu Schauzwecken vom Wasser des Flüsschens Usa angetrieben. Der angrenzende Ludwigsbrunnen war ein wichtiger Bestandteil der Trinkkur in Bad Nauheim. Noch heute versorgt er Durstige mit mineralhaltigem Heilwasser.

Alter Salinenkanal und neuer Badewasserkanal
Die große Anlage der Sudsaline des 18. Jahrhunderts musste zur Ausnutzung von Wind- und Wasserkraft auf weit verstreute Ressourcen zurückgreifen. Dafür durchzog ein teils offen verlaufendes und teils unterirdisch verrohrtes Grabensystem das heutige Stadtgebiet. Das ankommende Wasser wurde im sogenannten Salinenkanal, der vom heutigen Sprudelhof parallel zur Usa bis an die südliche Stadtgrenze nach Friedberg verlief, gesammelt. Damit wurden insgesamt sieben Wasserräder betrieben. Später wurde der Kanal zum Abtransport des gebrauchten Badewassers aus dem Sprudelhof genutzt. Als um die Wende zum 20. Jahrhundert dessen Kapazitäten nicht mehr ausreichten, erbaute man in unmittelbarer Nähe des alten Verlaufs einen neuen, moderneren Wasserkanal. Beide Kanäle sind noch heute vorhanden, teils in Gebrauch und über eine Strecke von 2,5 km entlang der Usa zu verfolgen. Über nummerierte Revisionsschächte gelangt man bis zur aufwendig gestalteten „Landmarke“, einer Station der Regionalparkroute Rhein-Main. Der blaue Steinbelag ahmt die unter- irdische Fließrichtung der Kanäle nach, ein benachbarter Revisionsschacht gibt den Blick frei auf 250 Jahre Salinen- und Badegeschichte.

„Lange Wand“ mit Windmühlen-Pumpwerk
Von den 23 Gradierwerken der mittelalterlichen Saline sind fünf erhalten geblieben, die heute noch zur Inhalation und als lebendiges Baudenkmal betrieben werden. Drei davon waren ursprünglich Bestandteil einer Linie von Gradierbauten mit einer Gesamtlänge von 960 Metern, von den Nauheimern auch „Lange Wand“ genannt. Zwischen Gradierbau IV und V befand sich eine der zwei Windmühlen, die der Salinen-Leiter Waitz von Eschen nach holländischem Vorbild in Nauheim errichten ließ. Der Turm der Windmühle ist heute ebenso erhalten wie die Technik im Innern. Ihre Aufgabe bestand darin, per Windkraft über ein mechanisches Getriebe Pumpen in Bewegung zu setzen, die das Solewasser auf die Gradierbauten beförderten. Die langsame Verrieselung über den Schwarzdorn führte zu einer höheren Konzentration der Sole. Die gradierte Sole wurde zu den Siedehäusern gepumpt und dort in Siedepfannen so lange erhitzt, bis das Salz auskristallisierte. Später wurde die heilende Wirkung der Inhalation an den Gradierbauten entdeckt. Der salzhaltige Solenebel in der Luft befreit und beruhigt die Atemwege.

„Wasserkunst“
Von den ehemals sieben Wasserrädern, damals auch „Wasserkunst“ genannt, ist neben jenem am Gradierbau III das „Große Rad“ im Bad Nauheimer Ortsteil Schwalheim erhalten: eine technische Rarität von 1748, wie sie sonst nur von den Pumpanlagen Ludwig des XIV. für die Wasserspiele im Schlosspark von Versailles bekannt ist. Ein Wasserrad von 9,80 Meter Durchmesser setzt ein Pumpgestänge in Bewegung, nicht nur über weite Entfernung, sondern auch bergauf. Das durch einen Exzenter am Wasserrad bewegte Pumpgestänge führte über eine Länge von knapp 900 Metern zu den südlichen Gradierwerken Bad Nauheims. Dort bewegte es auf weiteren rund 400 Metern Pumpen, die Salzwasser auf die Gradierbauten emportransportierten. Das ursprünglich abgehängte Pumpgestänge aus dem 18. Jahrhundert wurde 1825 durch das jetzige, rollengelagerte, ersetzt. Heute dient das historische Eichenholz-Rad nur noch Schauzwecken. Neben dem Brunnenhäuschen sind auch das lange Stauwehr in der Wetter, der Zulauf- und der Unterwasserkanal zu besichtigen.

Rosenproduktion, Rosenmuseum Steinfurth
Von einer Wanderschaft in England brachte Heinrich Schultheis 1868 die Fertigkeit Rosenpflanzen zu vermehren nach Steinfurth und begründete damit die Tradition des Rosendorfes. Heute werden hier jährlich mehr als zwei Millionen Rosenstöcke als Sonderkultur der Landwirtschaft produziert und in alle Welt verschickt. Das 1974 gegründete Rosenmuseum veranschaulicht in seiner ständigen Ausstellung Betriebe und Techniken des Rosenanbaus.

Interaktive Karte der KulturRegion
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