Quadratisch, praktisch, bunt in Bischofsheim – Persönlichkeiten und Lieblingsorte in der KulturRegion

© Alexander Paul Englert

Die achte Station unserer Reise zu besonderen Orten und Persönlichkeiten in der KulturRegion führt uns wieder in die Mainspitze – dieses Mal nach Bischofsheim. Wer sich der Gemeinde über die Landstraße von Südosten her nähert, kann den bunten Kubus, 7,5 mal 7,5 Meter, auf einer Wiese am Ortseingang eigentlich kaum übersehen. Mit seiner auffälligen Form und den mit Graffiti besprühten Wänden ist der Kunst-Würfel schon jetzt das heimliche Wahrzeichen Bischofsheims. Hier sind wir mit Anke Hielscher verabredet. Sie ist für die Programmplanung der 2021 eröffneten Kulturstätte zuständig. Gemeinsam mit ihr, dem ehemaligen Bürgermeister Ingo Kalweit (bis Juni 2023) und Prof. Dr. Wolfgang Schneider, erster Beigeordneter und stellvertretender Bürgermeister, sprechen wir über die Entstehung des Kunst-Würfels, seine Besonderheiten und das ehrenamtliche Engagement, ohne das es ihn gar nicht geben würde.

© Fotos: KulturRegion; Alexander Paul Englert; Text: Kristina Maurer

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Anke Hielscher, Prof. Dr. Wolfgang Schneider und ehemaliger Bürgermeister Ingo Kalweit am Kunst-Würfel Bischofsheim
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Anke Hielscher, Prof. Dr. Wolfgang Schneider und ehemaliger Bürgermeister Ingo Kalweit am Kunst-Würfel Bischofsheim
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Anke Hielscher am Kunst-Würfel Bischofsheim
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Anke Hielscher, Prof. Dr. Wolfgang Schneider und ehemaliger Bürgermeister Ingo Kalweit am Kunst-Würfel Bischofsheim

Das Besondere am Kunst-Würfel ist zunächst, dass er aus einer rein privaten Initiative heraus entstanden ist. Aus zu Beginn fünf oder sechs Bischofsheimer Bürger*innen ist mittlerweile ein Team von etwa zehn Ehrenamtlichen geworden, die den Betrieb des Kunst-Würfels organisieren. Eines unserer Alleinstellungsmerkmale ist, dass wir uns komplett durch Spenden finanzieren – egal ob Eintritte, Getränke oder Finanzierung der Künstler*innen. Sogar der Bau des Würfels selbst wurde allein durch Sponsorengelder bewerkstelligt. Die Gemeinde hat uns freundlicherweise das Grundstück zur Verfügung gestellt.

Entstanden ist der Kunst-Würfel übrigens aus den Wänden eines ehemaligen Supermarktes, der zuvor mitten im Ort stand. Als dieser irgendwann zu klein wurde und aufgegeben werden sollte, kam die Idee auf, dort vor dem endgültigen Abriss einen Künstlermarkt zu veranstalten. Dazu wurden die Graffiti-Künstler*innen von „Meeting of Styles“ aus Wiesbaden eingeladen, die Wände zu besprühen. Als es dann an den Abriss ging, haben wir uns überlegt, diese Wände zu behalten, einzulagern und wiederzuverwenden. Das heißt, unser Würfel war nicht fertig und wurde dann besprüht, sondern die besprühten Wände wurden zum Kunst-Würfel zusammengesetzt und dann noch entsprechend das Oberlicht und das Dach hinzugefügt. Für sein nachhaltiges Design wurde der Kunst-Würfel dieses Jahr von der Architektenkammer Hessen prämiert und war beim „Tag der Architektur“ mit dabei, weil wir eben kaum neue Bausubstanz verwendet haben, sondern hier die Wände von diesem ehemaligen Supermarkt recycelt wurden.

Als ständiger Beobachter des Kunst-Würfels fallen mir noch drei weitere Dinge ein, die den Kunst-Würfel besonders machen. Als erstes handelt es sich um ein bürgerschaftliches Engagement für die Kultur in unserer Gemeinde. Es sind Akteur*innen, die Anlässe schaffen, sich mit Kunst auseinander zu setzen und damit auch ein Stück Kulturvermittlung betreiben. Das zweite ist, dass der Kunst-Würfel einen weiteren öffentlichen Ort in Bischofsheim geschaffen hat, und zwar in einem Gebiet, in dem es sonst kaum öffentliche Einrichtungen gibt. Und drittens ist mit der „Kunst am Bau“ oder eben mit dem „Bau der Kunst“ in Bischofsheim etwas Buntes, Junges und Frisches entstanden, das es vorher so im Ort noch nicht gegeben hat.

Außerdem ist der Kunst-Würfel dabei, nicht nur bereits bestehende Kunst auszustellen, sondern mit Initiativen auch Neues zu schaffen. 2021 zum Beispiel mit dem Kunst-Wettbewerb „Mein Bild – Mein Bischofsheim“, bei dem die Bürger*innen dazu eingeladen waren, sich künstlerisch mit ihrer Gemeinde auseinander zu setzen. In diesem Jahr wurde der Wettbewerb „Mein Wort – Mein Bischofsheim“ ausgerufen, bei dem nach lyrischen Texten gesucht wurde. An beiden Wettbewerben wurde rege teilgenommen und die Reihe soll im kommenden Jahr mit „Mein Lied – mein Bischofsheim“ fortgesetzt werden. Es geht also auch um die Belebung und Förderung von Kunst und Kultur.

In den fast anderthalb Jahren seit der Eröffnung haben wir hier schon einige Lesungen, Konzerte, Matineen und Ausstellungen organisiert. Losgelegt haben wir Ende Juli 2021 mit einer Einweihung, bei der wir uns bei unseren ganzen Sponsoren bedankt haben. Etabliert hat sich seitdem auch ein kleiner Kunst-Handwerkermarkt im Advent, den wir dieses Jahr wieder veranstalten werden. Wir sind außerdem Standesamt und haben dafür im nächsten Jahr bereits wieder fünf Termine angesetzt.

Gegen eine kleine Spende von fünfzehn Euro pro Tag vermieten wir den Kunst-Würfel. Zuletzt zum Beispiel an zwei Zauberer, die hier einen Workshop zu gegeben haben. Wir erhoffen uns für die Zukunft, ein Ort zu werden, an dem junge Künstler*innen für kleines Geld die Möglichkeit finden, ihre ersten Ausstellungen zu präsentieren und wollen so den Nachwuchs fördern. Leider ist Bischofsheim bislang noch nicht die erste Adresse für Ausstellungen. Deshalb haben wir Kombinationsformate entwickelt wie Ausstellung mit Lesung oder Ausstellung mit Konzert. So lernen wir immer weiter dazu, was gut ankommt und was vielleicht nicht so gut. Wir haben das Ziel, uns als feste Kulturinstitution in der Mainspitze zu etablieren.

Die Gemeinde lebt sehr stark von ihren Vereinen. Vereine werden hier gefördert, aber sie werden auch gefordert! Das heißt, sie sind für die Fastnacht, die Kerb und den Weihnachtsmarkt verantwortlich – sozusagen unsere drei Großereignisse. Und in diesem Jahr ist zum ersten Mal der Bischofsheimer Kultursommer über die Bühne gegangen, an dem sich zehn Vereine in unterschiedlichster Weise beteiligt haben.

Vereine sind also etwas, das die Gemeinde zusammenhält. Sie stehen aber auch vor Herausforderungen und dahingehend wollen wir am 25. November diskutieren. Nämlich zum einen die Frage, wen sie mit ihren Angeboten erreichen. Kulturvereine sind aus ihrer Tradition heraus oft immer nur mit einem Gegenstand beschäftigt oder einer bestimmten Klientel ausgestattet. Deshalb haben wir auch einen Verein eingeladen, der sich dezidiert der Interkultur widmet, den Rüsselsheimer Verband der Interkulturellen Vereine, um hier die Öffnung zu Bürger*innen mit Migrationshintergrund stärker in den Fokus zu nehmen. Der andere Aspekt ist: Wie viel Hauptamt braucht das Ehrenamt? Das heißt: Ist in der Verwaltung jemand für Kultur zuständig? Ist die Gemeinde Ansprechpartner für die Vereine? Denn wir wissen, die Vereine haben zum Teil mit einem Personalmangel an aktiven und einem Rückgang an Dauermitgliedern zu kämpfen. Und die Vereine sind auch überfordert, wenn sie sich immer wieder neu erfinden müssen. Da können wir sie sicherlich unterstützen.

Schon seit Jahrzehnten machen wir hier in Bischofsheim Kultur, aber in den letzten Jahren hat sich unser Angebot, auch durch Prof. Schneiders tatkräftige Unterstützung, erheblich erweitert. Die KulturRegion ist für uns dabei ein wesentlicher Partner, weil wir so in der ganzen Region für Veranstaltungen werben können. Beim Kultursommer zum Beispiel waren zahlreiche Nicht-Bischofsheimer*innen hier. Die sind sicher auch über solche Kanäle darauf aufmerksam geworden.

Und umgekehrt lohnt sich der Blick über den Tellerrand. Wir bekommen ja auch die Programme der KulturRegion und fahren dann vielleicht mal woanders hin und genießen, was dort angeboten wird. Oder man lässt sich an anderen Orten inspirieren und kann dann wieder hier in Bischofsheim davon profitieren.