Der Freiheitsgeschichte in Hanau auf der Spur – Persönlichkeiten und Lieblingsorte in der KulturRegion

© Alexander Paul Englert

Die Stadt Hanau war einer der wichtigen Schauplätze der Revolutionsgeschichte 1848/49 in der Rhein-Main-Region und das „Hanauer Ultimatum“ vom 9. März 1848 eine der bedeutendsten Schriften der Revolution. Die 14. Station auf unserer Reise durch die Region führt uns daher im Jubiläumsjahr zu 175 Jahren Frankfurter Paulskirche zu unserem Gründungsmitglied Hanau, wo uns Martin Hoppe, Leiter Fachbereich Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen, und der Hanauer Schüler Malte Oberbeck gleich zwei besondere historische Schauplätze und Orte der Freiheitsgeschichte vorstellen: Das Rathaus am Neustädter Markt, wo sich Hanauer Bürger während der Revolution von 1848 versammelten, eine „Volkskommission“ wählten und Forderungen nach politischer Freiheit aufstellten. Und in direkter Blickachse die Wallonisch-Niederländische Kirche, in der sich Delegierte von 40 Turnvereinen, denen eine wichtige Rolle im Revolutionsgeschehen zukam, Anfang April 1849 trafen und den „Deutschen Turnerbund“ ins Leben riefen. Beide Geschehnisse werden im „Extrablatt – im Geist der Freiheit“, der kürzlich erschienenen Jubiläumszeitung der KulturRegion, beschrieben. Die Brüder-Grimm-Stadt Hanau, nicht nur weithin bekannt für ihre Brüder Grimm Festspiele, hat ein umfangreiches Jubiläumsprogramm zu 175 Jahre Revolution und Paulskirche mit zahlreichen Veranstaltungen auf die Beine gestellt, von dem wir erfahren.

© Fotos: KulturRegion; Alexander Paul Englert; Text: Julia Wittwer

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Martin Hoppe und Malte Oberbeck am Brüder-Grimm-Denkmal vor dem Neustädter Rathaus
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Martin Hoppe am Neustädter Marktplatz vor dem Wochenmarkt und Rathaus
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Malte Oberbeck vor der Wallonischen Ruine der Wallonisch-Niederländischen-Kirche
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Martin Hoppe und Malte Oberbeck in der Tafelausstellung zur Geschichte der Doppelkirche

Seit 1303, der Gründung der Hanauer Altstadt gibt es einen wöchentlichen Markt in Hanau, seit 1597 mit Gründung der Neustadt dann ab 1605 hier am Platz. Er ist einer der schönsten, größten und ältesten Wochenmärkte in der Region. Das Rathaus im Zentrum der Hanauer Neustadt ist 1725-33 erbaut worden. Es wurde in den letzten Jahren von Grund auf restauriert und renoviert und Ende 2022 feierlich wiedereröffnet. Man sieht sehr schön, dass es hier der zentrale Ort am Marktplatz in der Neustadt ist. Nach dem Krieg wurde das Gebäude bewusst architektonisch freigestellt. Es wird jetzt wieder als Ort der lokalen Demokratie genutzt, unten im Foyer für Ausstellungen, oben für Stadtverordnetenversammlung und Magistrat, die politischen Parteien haben zudem hier ihre Fraktionsgeschäftszimmer.

Im Revolutionsjahr 1848 war der Marktplatz der Ort von politischen Zusammenkünften. Dort ist dann die Volkskommission gewählt worden. Von hier ist sie auch verabschiedet worden. Vier Mann sind mit schwarz-rot-gold geschmückten Kutschen von Fulda nach Kassel gefahren, weitere vier über Marburg, und haben dem Fürsten das Hanauer Ultimatum, maßgeblich verfasst vom Hanauer August Rühl, abgetrotzt. Am 12. März 1848 wurde die Delegation und der Sieg der Basis dann mit großem Jubel auf dem Marktplatz gefeiert. Das Hanauer Ultimatum ist für uns, neben den Stadtrechtsurkunden, das wichtigste Dokument der Stadtgeschichte.

Wie gesagt, atmet das Rathaus jetzt also wieder die Demokratie, es ist ein Ort der Demokratiegeschichte und für Bürgerinnen und Bürger geöffnet, die hier überwiegend Kunstausstellungen sehen können. Aber auch historische Ausstellungen, jetzt im Jubiläumsjahr ab 23. Juni zum Beispiel die Sonderausstellung zu „Rebellion, Revolution und Restauration in Hanau 1830-50“. Es gibt zahlreiche weitere Veranstaltungen wie Vorträge, Stadtrundgänge, Gedenkfeiern, die Bezug nehmen auf 175 Jahre Revolution in Hanau. Am 8. Juli findet am Marktplatz eine theatralische Intervention der BüchnerBühne in Kooperation mit der KulturRegion statt, bei der das „Extrablatt“ verteilt wird. Und im Schloss Philippsruhe ist bis 21. Juli eine große Playmobil-Familienausstellung zu sehen, die mit tausenden Figuren die historischen Bilderwelten rund um die Revolution von 1848 und die Paulskirche nacherzählt. In den Hanauer Museen gibt es zudem viele spannende Ausstellungen zu entdecken.

Die Hanauer Turngemeinde ist ein sehr alter Verein, 1837 gegründet. Die Turner waren hier in Hanau politisch höchst aktiv, haben im Vormärz Kontakte geknüpft und waren auch am Hanauer Ultimatum – das waren mehrheitlich Turner – beteiligt. Sie haben in der Region viele Turnfeste organisiert, auf dem Feldberg beispielsweise mit anderen Turnvereinen. Man war gut vernetzt und deshalb hat sich der „Erste Deutsche Turnerbund“ im April 1848 hier in der Wallonisch-Niederländischen Kirche gegründet. Also eben nicht in einer anderen Großstadt, sondern hier in Hanau. Dabei blieb es dann nicht, denn am gleichen Ort hat man im Juli 1848, wieder unter Führung des Hanauers August Schärttner, dann den ersten „Demokratischen Turnerbund“ gegründet, der sich explizit für eine freiheitliche demokratische Republik einsetze.

Die Turner wählten als Ort für ihre Versammlungen die Kirche, damals vermutlich bereits ein Wahrzeichen der Stadt und als Doppelkirche mit zwei Teilen errichtet: dem größeren Teil, für die zahlmäßig größere Wallonische Gemeinde – heute eine Ruine –, und dem kleineren Teil die Niederländische. Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und später nur der Niederländische Teil wiederaufgebaut. An die Gründungen der Turnerbünde erinnern zwei Gedenktafeln am Wallonischen Teil der Kirche.

Wir sind froh und glücklich, seit Beginn an Mitglied in der KulturRegion zu sein. Die Wahrnehmung von Hanau entsprach lange Zeit nicht der wirklichen Bedeutung der Stadt und so sind wir immer damit beschäftigt, die wichtigsten kulturellen Aspekte, sei es geschichtlich, oder aktuell, herauszustellen. Hanau, im Osten der Rhein-Main-Region gelegen, klammert die KulturRegion quasi vor (und mit) Aschaffenburg zusammen. Der Vorteil ist, dass wir über den Verbund der KulturRegion in Kontakt miteinander sind und wir uns in der Region besser verorten und inhaltlich vermarkten können. Im Verbund und durch gemeinsame Aktionen – auch mit der Schwesterorganisation, dem Kulturfonds, z.B. über Projekte wie Klangkunst in Industriekultur – gelingt es uns, Orte wie das Wasserwerk bekannt zu machen. Das wäre alleine so gar nicht möglich. Neben dem inhaltlichen Austausch und der Entwicklung gemeinsamer Themen werden durch die Kooperation die Chancen größer, eine Öffentlichkeit zu bekommen, sich zu präsentieren, aber auch voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu helfen. Wir kennen uns, die Wege sind auf der Arbeitsebene kurz und viele Fragen können schnell geklärt werden. Ich bezeichne die Arbeit in der KulturRegion daher gerne als „lernende Kooperation“!